Meloni am Pranger
Von Gerhard Feldbauer
Am Wochenende hat das Netzwerk Rete Torinese die Schließung der sogenannten Repatriierungszentren (CPR) zur Rückführung von Asylsuchenden gefordert. Das berichtete die Plattform Colletiva des Gewerkschaftsbundes CGIL, eines der Mitglieder des Turiner Bündnisses. Zuvor hatten Betroffene die unmenschlichen Zustände in libyschen Internierungslagern für Asylsuchende und Geflüchtete enthüllt – und damit, welche Folgen die Komplizenschaft der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni mit dem libyschen Polizeichef Osama Al-Masri für sie hatte. So wurden in den CPR »Menschen eingesperrt, die unsägliche Gewalt erlitten haben und nach Wegen suchen, in die Europäische Union zu gelangen, wo die Einreiseströme so reguliert werden, dass Missstände begünstigt werden«, sagte Elena Ferro vom Sekretariat der CGIL in Turin, wo Al-Masri Ende Januar festgenommen worden war, nur um dann sogleich von Melonis Regierung wieder freigelassen und nach Libyen in Sicherheit gebracht zu werden.
Im Rahmen der nachfolgenden Proteste hatten frühere Insassen von Al-Masris Lagern, die dem Horror entkommen waren, unter anderem im Parlament in Rom öffentlich gemacht, wie dort Menschen gefoltert, wie Sklaven verkauft, ausgehungert und dem Tod überlassen, Frauen vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen werden. In einem am Sonnabend vom linken Magazin Contropiano veröffentlichten Schreiben an Meloni fordern die Geschädigten eine sofortige Beendigung aller Abkommen mit Libyen und die Freilassung aller dort in Lagern Internierten. Inzwischen hat die römische Staatsanwaltschaft wegen der Fluchthilfe für den vom Haager Strafgericht wegen Kriegsverbrechen gesuchten Al-Masri Ermittlungen gegen Meloni aufgenommen. Auch hat ein libysches Folteropfer Anzeige gegen Meloni und zwei ihrer Minister erstattet, wie ANSA am Montag mitteilte. Ein Gericht hat zudem am Freitag zum dritten Mal die Festsetzung Geflüchteter in Auffanglagern in Albanien verboten. 43 Asylsuchende aus Ägypten und Bangladesch mussten darauf am Sonnabend von der Küstenwache nach Bari in Süditalien gebracht werden.
Meloni verwahrte sich scharf gegen die Entscheidung der Richter und die Kritik der Opposition und behauptete: »Trotz der täglichen grundlosen Angriffe und Versuche, die Regierung zu destabilisieren, bleibt die Unterstützung der Italiener für sie solide.« Dazu zitierte sie eine Umfrage von Supermedia Youtrend, nach der ihre »postfaschistische« Partei Brüder Italiens (FdI) mit 30,1 Prozent an der Spitze liegt, was einem Anstieg um 0,5 gegenüber dem 16. Januar entspricht. Die Nachrichtenagentur ANSA stellte dieses leichte Plus allerdings in einen Zusammenhang mit Melonis Teilnahme an der Amtseinführung des vormaligen und neuen US-Präsidenten Donald Trump sowie mit Verträgen im Wert von rund zehn Milliarden Euro, die mit Saudi-Arabien unterzeichnet wurden, wodurch der Eindruck entstand, die Wirtschaftslage habe sich verbessert.
In der Tat stellt sich Meloni entgegen ihrer früheren Ablehnung jetzt hinter Trump, von dem sie zusammen mit seinem Helfer, dem Milliardär Elon Musk, Unterstützung gegen die Angriffe der zunehmend geeinten Opposition erwartet – die im Januar mit neuen Streiks fortgesetzt wurden. Dafür will sie Musk sogar entscheidende Bereiche der italienischen Telekommunikation für dessen Satellitennetzwerk Starlink öffnen. Damit könnte der Unternehmer sich einen einflussreichen Platz auf dem italienischen Markt der Netzanbieter sichern. Während Frankreichs Emmanuel Macron und BRD-Kanzler Olaf Scholz sich angesichts von Trumps Äußerungen über Grönland hinter Dänemark stellen, verhält sich Meloni still. Auch ein Wahlsieg der von Musk unterstützten AfD käme ihr gelegen. Ob Melonis Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. Das dürfte vor allem von der Haltung führender Kapitalkreise abhängen. Wenn Trump seine Ankündigung wahr macht, die Zölle für Importe aus EU-Ländern drastisch zu erhöhen, drohen nach einer Berechnung des Forschungsbüros Confartigianato italienischen Unternehmen Aufschläge von zehn bis 20 Prozent auf Exporte in die USA, die zuletzt ein Volumen von 66,4 Milliarden Euro hatten.
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