»Wo ist das Geld hin?«
Von Reinhard LauterbachDer ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat Angaben der US-Regierung unter Joe Biden über die Höhe der US-Militärhilfe für die Ukraine bestritten. Wenn er höre, dass Washington der Ukraine 177 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt habe, dann könne er nur fragen, wo dieses ganze Geld geblieben sei. In Kiew seien nur 75 Milliarden angekommen, sagte Selenskij der US-Agentur AP. Unklar blieb, ob er hier vielleicht unbeabsichtigt die Verschwiegenheit über einen Korruptionsskandal in bisher nicht gekanntem Ausmaß für einen Moment aufgehoben hat oder ob er auf die an sich bekannte Tatsache anspielte, dass große Teile der US-Zusagen faktisch in den USA bleiben und nicht zur freien Verfügung an die Ukraine gezahlt wurden. Das Geld geht direkt als Auftrag an die dortige Rüstungsindustrie, wobei die Lieferung der fraglichen Waffensysteme dann erst einige Jahre später vorgesehen ist.
Selenskij warnte im selben Interview auch Donald Trump vor direkten Kontakten zu Russland ohne vorherige Absprache mit der Ukraine. Dies zu riskieren sei »sehr gefährlich«, weil es den Eindruck erwecke, dass die Ukraine kein selbständiger politischer Akteur sei, kritisierte der Präsident. Aus den USA kommen verschiedene Signale, dass solche Gesprächskontakte offenbar bestehen – Trump hat zuletzt erklärt, die Beratungen würden »intensiv« fortgesetzt.
Im übrigen versuchte Selenskij, aus dem Bomben- oder Raketeneinschlag in einer Schule in der ukrainisch besetzten Grenzstadt Sudscha im Bezirk Kursk am Wochenende maximalen politischen Nutzen zu ziehen. Er behauptete, solche Angriffe – bei denen vier ältere Personen ums Leben gekommen seien, die die Ukraine habe auf eigenes Territorium evakuieren wollen – auf eigene Staatsangehörige seien ein »Markenzeichen der russischen Verbrecher«. Russland bestätigte die Tatsache des Einschlags, behauptete aber, die Rakete sei vom ukrainischen Bezirk Sumy aus abgefeuert worden. Eine unabhängige Klärung dürfte nicht mehr möglich sein.
Die von westlicher Seite in den letzten Wochen häufig beschworenen nordkoreanischen Soldaten im russischen Bezirk Kursk sind nach neuen Angaben aus Kiew vermutlich abgezogen worden. Ein Sprecher des Kiewer Generalstabs sagte, es seien seit zwei Wochen keine Nordkoreaner mehr an der Front gesichtet worden. Wahrscheinlich habe Pjöngjang sie wegen der hohen erlittenen Verluste zurückgerufen. Zuvor hatte die ukrainische Seite behauptet, der Einsatz im Kursker Gebiet sei sogar auf nordkoreanischen Wunsch erfolgt, um den Soldaten Kampferfahrung zu vermitteln. Ob sie überhaupt da waren, ist nicht bewiesen – lebendig gesehen hat sie niemand. Einer von ihnen, den die Ukraine gefangengenommen haben wollte, soll Stunden nach der Festnahme seinen Verletzungen erlegen sein.
Im eigenen Land wächst offenbar der Widerstand gegen die Rekrutierungskommandos der ukrainischen Armee im Hinterland. Dabei kommen zunehmend auch Waffen zum Einsatz. In Poltawa erschoss ein Mann einen Beamten der Rekrutierungsbehörde mit seinem Jagdgewehr und floh mit einem der Wehrpflichtigen; in Riwne im Westen des Landes wurde bei einem Anschlag auf das örtliche Wehrersatzamt ebenfalls ein Bediensteter getötet. Ein Armeesprecher warnte, dass solche Vorfälle »eine rote Linie überschreiten« würden. Es gehe nicht an, dass die »Verteidiger der Ukraine« im eigenen Hinterland angegriffen würden. Ein Armeesprecher berichtete am Wochenende, dass sich im Januar knapp 1.000 Männer freiwillig zum Militärdienst gemeldet hätten. Das seien fast doppelt so viele gewesen wie im langfristigen Durchschnitt. Er räumte gleichzeitig ein, dass sich in Russland täglich so viele Freiwillige zum Militärdienst meldeten.
Beide Seiten setzten ihre Drohnenangriffe auf Ziele im gegnerischen Hinterland fort. Die Ukraine berichtete, eine Raffinerie in Wolgograd und eine Gaskompressorstation bei Astrachan angegriffen und in Brand gesetzt zu haben. Bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in Poltawa kamen am Sonnabend insgesamt 14 Bewohner ums Leben, darunter ein Ehepaar und seine neunjährige Tochter.
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