Vom Waggon zur Waffe
Von Steve HollaskyIn Görlitz sollen jetzt Panzer statt Waggons gebaut werden. Im vergangenen Herbst hatte der französische Alstom-Konzern angekündigt, das dortige Waggonbauwerk, das auf eine 175jährige Geschichte zurückblicken kann, zu schließen. Danach wurde kräftig verhandelt, mit dem Ergebnis, dass die Waffenschmiede KNDS den Betrieb übernimmt. Produktionsstart für Rüstungsgüter ist noch in diesem Jahr geplant. KNDS will nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Für Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Bundeskanzler Olaf Scholz Grund genug, schließlich ist Zeitenwende, den Deal am Mittwoch im Görlitzer Werk zu präsentieren.
Das Abkommen ist im Ort umstritten. Für die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen ist die Zukunft am Standort vorerst gesichert. Andere werden mit Abfindungen abgespeist oder sollen zukünftig für Alstom in Bautzen tätig sein. KNDS ist ein deutsch-französisches Rüstungskonglomerat, entstanden aus dem Zusammenschluss des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann und des französischen Konzerns NEXTER. Inzwischen beschäftigt KNDS 6.000 Menschen in Deutschland. In Görlitz sollen zukünftig Teile für den Radpanzer »Boxer« produziert werden. Die Kolleginnen und Kollegen von Alstom lockt die auf mehrere Jahre garantierte Sicherheit ihrer Arbeitsplätze in das Beschäftigungsverhältnis bei KNDS. Uwe Garbe, Bevollmächtigter der IG Metall, erklärte am Mittwoch gegenüber jW, er sehe in der Übernahme durch KDNS »eine gute Lösung«.
Anders sahen das etwa 100 Demonstranten, die sich am Mittwochvormittag vor dem Werkstor versammelten. Drei Gruppen aus unterschiedlichen politischen Lagern fanden sich ein: Neben dem Bündnis Sahra Wagenknecht protestierte auch der Görlitzer Stadtverband der Partei Die Linke. Vertreter der extremen Rechten versuchten ihrerseits den Unmut über die Niederlassung der Panzerbauer zu instrumentalisieren. Mirko Schultze, Kreisvorsitzender von Die Linke, kritisierte im Gespräch mit jW die Ansiedlung von KDNS. Während die nötigen Investitionen über Jahre ausblieben, seien die Beschäftigtenzahlen immer weiter gesunken. Da nun ein »Rüstungsunternehmer als Heilsbringer« komme, müssten die Beschäftigten, wollten sie ihre Jobs behalten, nun auf weitere Aufrüstungsmaßnahmen oder gar auf Kriege hoffen, sagte Schultze.
Für Angelika Teweleit von der »Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften« zeigt die Umstellung von »sinnvollen Gütern auf Rüstung« beispielhaft, was Kapitalismus bedeute. In den Gewerkschaften müsse daher für ein Programm gekämpft werden, das die Übernahme solcher Werke in die öffentliche Hand unter demokratischer Kontrolle durch Beschäftigte und Gesellschaft umsetze, so ihre Forderung. Zudem kritisierte sie die IG-Metall-Führung. Die hatte 2023 einen Zukunftssicherungsvertrag mit Alstom abgeschlossen und für Arbeitsplatzsicherheit auf Urlaubsgeld verzichtet. Das Beispiel zeige aber, »Verzicht sichert keine Arbeitsplätze«.
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