Riesige Wohnungslücke
Von Oliver Rast![5.jpg](/img/450/205136.jpg)
Die Bilanz ist grausam, der Befund verheerend: Die Ampel bzw. das Rumpfkabinett ist ein Klub von Versagern. Notstand herrsche in der Wohnungspolitik, ein »chronischer Burnout« auf dem sozialen Mietwohnungsmarkt, erklärten Vertreter des Bündnisses »Soziales Wohnen« am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin. Einem Bündnis, dem der Deutsche Mieterbund (DMB), die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) sowie die Bundesverbände der Mauersteinindustrie und des Baustoff-Fachhandels angehören.
Die Zahlen lügen nicht: Bundesweit fehlen rund 550.000 Wohnungen. Allein in Berlin 35.000 – vor allem bezahlbarer Wohnraum. Und der Abwärtstrend hält an, hat das Pestel-Institut in der Studie im Auftrag des Bündnisses auf Basis der großangelegten Bevölkerungsumfrage »Zensus 2022« errechnet. Eine Trendumkehr gelänge nur, wenn bis 2030 pro Jahr mindestens 210.000 Sozialwohnungen neu geschaffen würden (Berlin: 30.000) – vor allem per Neubau, wurde der Pestel-Chefökonom Matthias Günther am Mittwoch in einer Mitteilung zitiert. Ferner brauche es kommunalen Ankauf von Wohnraum samt längeren Belegungsrechten. Nur so könne es gelingen, in fünf Jahren die Zielmarke von zwei Millionen öffentlich geförderten Sozialwohnungen zu erreichen. Günther: »Doch selbst dann wäre nur die gröbste Not gelindert.« Denn würde der Staat alle Anspruchsberechtigten mit sozialem Wohnraum versorgen, wäre ein Bestand bundesweit von rund 5,6 Millionen (Berlin: 840.000) Sozialwohnungen notwendig.
Ein Ziel, meilenweit entfernt. Zur Erinnerung: Die Ampelkoalition war angetreten, 400.000 Wohneinheiten neu zu bauen, schlüsselfertig zu übergeben; ein Viertel davon im öffentlich geförderten Sektor. Pustekuchen. Im letzten vollen Regierungsjahr 2023 hat das Bundeskabinett von Olaf Scholz (SPD) lediglich 23.000 Sozialwohnungen gefördert – und damit weniger als im Schnitt der Jahre zuvor.
Tja, und was meint das zuständige Bundesbauministerium? Belangloses. Förderprogramme für Neubau, Eigentumserwerb und barrierefreie Sanierungen würden weiterhin gut nachgefragt, heißt es am Mittwoch von Ressortchefin Klara Geywitz (SPD). Beispiel: das Programm für »Klimafreundlichen Neubau im Niedrigpreissegment (KNN)«. Bis Ende 2024 konnten 676 Wohneinheiten gefördert werden. Mit Verlaub, ein Beleg für ministerielles Scheitern, sonst nichts.
Das findet auch Jan-Marco Luczak (CDU). Mehr noch, dem Problem des fehlenden, bezahlbaren Wohnraums sei nur mittels schnellerem und kostengünstigerem Bauen zu begegnen, sagte der baupolitische Sprecher seiner Unions-Bundestagsfraktion am Mittwoch gegenüber jW. Und dann ließen sich auch steigende Mieten in den Griff bekommen. Kurz, meint Luczak: »Wir haben kein Problem mit zu wenig Regulierung, sondern wir haben zu wenig Wohnungen.«
Der Sprecherin für Stadtentwicklung und Bauen der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Katalin Gennburg, platzt bei derlei Aussagen fast der Kragen im jW-Gespräch. Das Mantra »Bauen-bauen-bauen« im Sinne der Immohaie sei völlig verfehlt. »Wir brauchen zunächst eine radikale Rekommunalisierung im Bestand, und wir müssen privatisierten Wohnraum zurückholen.« Etwa mittels Vergesellschaftung von großen Wohnungsunternehmen. Und, fraglos: Statt eines deregulierten Mietwohnungsmarktes brauche es das Gegenteil, eine harte staatliche Regulierung und Neubauprogramme in öffentlicher Regie. Basta!
Dem kann Rainer Balcerowiak, Pressesprecher der Berliner Mietergemeinschaft (BMG), viel abgewinnen. Zumal auch die BMG milliardenschwere Investitionen für die soziale Wohnraumversorgung fordert, so Balcerowiak zu jW. Nur, keine nachhaltige Lösung seien Förderprogramme für den »sozialen Wohnungsbau« mit nur befristeten Mietpreisbindungen. Statt dessen müsste »ein massives kommunales Wohnungsbauprogramm auf den Weg gebracht werden, bei dem die neu gebauten Wohnungen im öffentlichen Besitz verbleiben« – und somit dem renditegetriebenen Wohnungsmarkt entzogen würden. Dauerhaft. Erst dann könnten künftige wohnungspolitische Bilanzen und Befunde so ausfallen: positiv.
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