Erst schießen, dann verhandeln
Von Bernard Schmid![CONGO-SECURITY.JPG](/img/450/205141.jpg)
In Goma im Osten der Demokratischen Republik (DR) Kongo hat am Dienstag eine Serie von Beerdigungen in Massengräbern begonnen. Wie der lokale Rundfunksender Radio Okapi Mittwoch früh berichtete, wurden am Vortag 100 Opfer der jüngsten Kampfhandlungen in der Hauptstadt der Provinz Nordkivu vom Roten Kreuz unter Ausschluss der Familien und sonstiger Öffentlichkeit verscharrt. Insgesamt wurden in Goma und Umgebung seit dem Aufflammen der Kämpfe zwischen der Regierungsarmee, der Miliz »M 23« sowie Truppen des Nachbarlands Ruanda in der vorigen Woche laut UN-Angaben rund 3.000 Menschen getötet, die allermeisten Zivilisten. Radio France international (RFI) meldete am Dienstag, es seien bereits mindestens 2.000 Menschen zu Grabe getragen worden, 900 Leichname warteten noch in Kühlhäusern.
Nord- und seit einigen Tagen auch Südkivu werden seit dem Jahreswechsel von den »M 23« und der ruandischen Armee geradezu überrollt. Am Montag verkündete die »M 23«-Führung dann überraschend eine Waffenruhe »aus humanitären Gründen« ab Dienstag früh. Die Regierung in Kinshasa zeigte sich zunächst skeptisch. Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner forderte gegenüber dem südafrikanischen Sender Newzroom Afrika einen Truppenabzug aus Goma und eine Entmilitarisierung der, zählt man die Vororte mit, Millionenstadt.
Möglicherweise will die Seite, die in den letzten Wochen in die Offensive ging, aber auch nur vorläufig ihre militärischen Erfolge konsolidieren, bevor am Sonnabend dieser Woche im Nachbarland Tansania ein Regionalgipfel zur Krise im Ostkongo stattfindet. Dazu werden der Präsident der DR Kongo, Félix Tshisekedi, und sein ruandischer Amtskollege Paul Kagame erwartet. Beide Staatschefs hätten bereits Ende Januar zusammentreffen sollen. Tshisekedi annullierte den Termin jedoch. Zum einen rückten die gegnerischen Truppen zu dem Zeitpunkt nach der Einnahme Gomas weiter in Richtung Bukavu vor, der Hauptstadt Südkivus. Zum anderen beharrte Kigali darauf, Kinshasa müsse »mit den ›M 23‹ direkt sprechen«. Doch die Regierung der DR Kongo lehnt dies ab, da die »M 23« aus ihrer Sicht von Ruanda abhängig sind.
Nun werden Tshisekedi und Kagame jedoch voraussichtlich in Daressalam aufeinandertreffen. Gelingt es den in der tansanischen Metropole versammelten Regierungen, den Konflikt zwischen den beiden Ländern zumindest einzufrieren, wäre dadurch für die seit 25 Jahren von mehreren Wellen extremer Gewalt heimgesuchten Einwohner im Ostkongo viel gewonnen. Umgekehrt droht, sofern eine solche Vermittlungsbemühung scheitert und falls Staaten der Region zugunsten einer Konfliktpartei Position beziehen, eine Ausweitung. Mit Blick auf die auf kongolesischem Territorium ausgetragenen bewaffneten Konflikte, deren Hochphasen 1996/97 und 1998 bis 2002 waren, war bereits von zwei »afrikanischen Weltkriegen« gesprochen worden. Dabei hatte eine Reihe staatlicher Akteure von Ruanda über Burundi bis zu Simbabwe und Angola in das Geschehen eingegriffen. Millionen Tote waren zu verzeichnen. Auf dem Spiel stand dabei immer auch die Kontrolle über die gigantischen Bodenschatzvorkommen des Kongo.
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