Waffenruhe zu Ostern?
Von Reinhard Lauterbach
Das ukrainische Portal strana.news und die britische Tageszeitung Daily Mail haben Details des angeblichen Ukraine-Plans von US-Präsident Donald Trump veröffentlicht. Wie seit Donnerstag in kleinen Portionen zu lesen war, will Trumps Sondergesandter Keith Kellogg in der kommenden Woche den Plan seines Chefs in Kiew und bei der EU vorstellen. Er sieht den bisher unbestätigten Informationen zufolge vor, bis zum 20. April – also zu Ostern – zunächst eine Waffenruhe entlang des dann erreichten Frontverlaufs zu vereinbaren. Details einer grundsätzlicheren Friedensregelung sollten später bereits nicht mehr unter dem Druck sich ändernder militärischer Kräfteverhältnisse ausgehandelt werden.
Dabei geht der angebliche Trump-Plan in einem Punkt über bisher diskutierte Waffenstillstandsbedingungen hinaus: Die russische Souveränität über die ukrainischen Gebiete, die derzeit von Russland kontrolliert werden (Lugansk und Donezk so gut wie vollständig, Saporischschja und Cherson teilweise), solle nicht nur de facto, sondern auch juristisch anerkannt werden. Der angestrebte Waffenstillstand soll dann – unklar, für wie lange – von EU-Truppen und eventuell von britischen Einheiten überwacht werden. Eine Beteiligung von US-Truppen an dieser Aufgabe sieht der Plan den Angaben zufolge nicht vor – ein Indiz dafür, wie gering die Stabilität einer solchen Regelung und im Umkehrschluss wie hoch die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt wird, dass US-Truppen in direkte Kämpfe hineingezogen werden könnten.
Ein ukrainischer NATO-Beitritt solle – nicht klar, für wie lange – ausgeschlossen werden; für den ukrainischen Beitritt zur EU sieht der Plan demzufolge einen Zeitplan bis 2030 vor. Die EU solle auch die Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine bezahlen, für den nach jetzigen Schätzungen etwa eine halbe Billion (500 Milliarden) Euro veranschlagt wird. Trump erwartet offenbar, dass von diesen EU-Wiederaufbaugeldern auch US-Unternehmen profitieren. Bereits vor einigen Tagen hatte Trump verlangt, als Sicherheit für die bereits geleistete US-Militärhilfe strategische Rohstoffe – etwa seltene Erden – an die USA zu überschreiben, was der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem EU-Gipfel als »einseitig« und »egoistisch« kritisierte.
Sowohl in Kiew als auch in Moskau wurde der Plan skeptisch beurteilt. Der Chef der ukrainischen Präsidialkanzlei, Andrij Jermak, gab zu Protokoll, es könne keinen Friedensplan ohne ukrainische Zustimmung geben. In Moskau sagte Außenamtssprecherin Marija Sacharowa, man erwarte von den USA vor Beginn eventueller Gespräche konkretere Informationen über eine Vielzahl von Einzelheiten.
Unklar ist, wie die Anfang der Woche begonnene ukrainische Offensive im Kursker Gebiet verläuft. Russische Quellen nennen hohe ukrainische Verluste an Soldaten und Material, von ukrainischer Seite gibt es keine konkreten Angaben. Außerdem gab Moskau die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Torezk in Donbass bekannt.
Hinweis: In der vorherigen Version war fälschlicherweise von einer halben Trillion die Rede. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (9. Februar 2025 um 22:17 Uhr)Erstens: Die britischen Tageszeitungen und Geheimdienstberichte haben inzwischen das Niveau von Radio Jerewan erreicht. Die durchgesickerten Informationen sind daher wertlos! Zweitens: Warum sollte Russland kurz vor seinem vermeintlichen Sieg gegen die Ukraine aufgeben und sich mit diesem Plan zufriedengeben? Drittens: Für Russland sind Fristen im Umgang mit der leidtragenden Ukraine und dem Westen weit weniger dringlich. Die entscheidende Frage bleibt jedoch: Hat der sogenannte Wertewesten überhaupt noch einen ernstzunehmenden Vorschlag – außer einem Dritten Weltkrieg, den niemand überleben würde?
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (8. Februar 2025 um 18:05 Uhr)In der dargestellten Form ist der Plan ungenügend. Wo bleibt z. B. die russische Forderung nach Entmilitarisierung der Ukraine? Es gab aus der Ukraine Stimmen, einen Waffenstillstand für Wiederaufrüstung zwecks erneuten Feldzugs gegen Russland zu nutzen. Es ist vollkommen unglaubwürdig, dass EU-Truppen sich so einem ukrainischen Angriff auf Russland entgegenstellen würden. Mangels westlicher Vertragstreue muss ein Vertrag vielmehr auf russisch kontrollierbaren Sicherheitsmechanismen beruhen. Der Umgang des Westens nicht nur mit den Minsker Abkommen hat seine Glaubwürdigkeit irgendwo in die Nähe des absoluten Nullpunktes absinken lassen.
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