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Aus: Ausgabe vom 10.02.2025, Seite 10 / Feuilleton
Oper

Zum Diktat

Die Hamburgische Staatsoper soll an den Stadtrand ziehen, weil ein Milliardär das so möchte
Von Gisela Sonnenburg
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Hat nach Meinung des Mäzens ausgedient: Das Gebäude der Hamburgischen Staatsoper

In der Hamburger Hafencity leben Neureiche – und die dort erbaute Elbphilharmonie ist vor allem Ziel von Touristenbuspassagieren. Klassik für alle, Pop für alle, Jubel für alle. Die Akustik ist indes längst nicht auf allen Plätzen gut. Das hindert den Hamburger Senat nicht daran, die Hafencity als neue Megastätte für Kultur zu feiern. Jetzt soll auch die gute alte Hamburgische Staatsoper, in deren Vorgängerbau schon das Barockgenie Händel wirkte, in die Hafencity umziehen. Ohne ausreichende Informierung der Öffentlichkeit und ohne vorherige Informierung der Opern- und Ballettmitarbeiter hat der Senat das so entschieden. In einer »Sonderpressekonferenz« wurde das am Freitag im Hamburger Rathaus verkündet.

Warum die Oper umziehen muss? Weil ein Milliardär, dessen geerbte Firma einst den Nazis höchst dienstbar war, das so möchte. Klaus-Michael Kühne verlagerte sein Unternehmen Kühne + Nagel allerdings schon vor Jahren in die Schweiz, gilt in Deutschland seither als Steuerflüchtling. Jetzt aber möchte er was zurückgeben. Mit seinem Geldgeschenk von bis zu 330 Millionen Euro diktiert er zugleich, wo der Neubau der Hamburgischen Staatsoper zu stehen hat. Nämlich an einem Täterort.

Die von der Kühne-Stiftung vorgesehene Landzunge namens Baakenhöft war einst Schauplatz der Einschiffung von deutschen Soldaten Richtung Afrika: Von hier aus wurde das Militär nach Namibia zum Völkermorden an den Herero und Nama geschickt. Statt einer längst fälligen Gedenkstätte soll dort nun das neue Opernhaus errichtet werden: »Aida« und »Schwanensee« für das ganz große Vergessen.

Vergessen soll man auch all die Traditionen und Erfolge vor allem künstlerischer Art, die dem zentral gelegenen Noch-Opernbau in Hamburg seine Aura verleihen. Das kantig-schöne Gebäude von 1955, unter Denkmalschutz stehend, hat 1.690 Plätze, auf denen die Sichtverhältnisse besser sind als in den meisten anderen Opernhäusern und auch die Akustik hervorragend ist. Die Bühne und der Bühnenkasten haben Proportionen, die ihresgleichen suchen: Sie sind optimal für die performative Kunst.

Aber jetzt hat Hamburg ja ein neues »Jahrhundertprojekt«, wie es der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nennt. In der Tat: Ein funktionierendes, international renommiertes, von der Bevölkerung innig geliebtes und vor allem sehr gut erreichbares Opernhaus zu schließen, um einen Großkotzbau an den Stadtrand zu setzen, ist was Besonderes. Herzlichen Glückwunsch, Hamburg!

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