Wettlauf nach rechts
Von Reinhard Lauterbach, Poznań![6.jpg](/img/450/205356.jpg)
Noch sind die Umfrageergebnisse für den Präsidentschaftskandidaten der polnischen Liberalen, Rafał Trzaskowski, nicht beunruhigend: bis zu 40 Prozent für die erste Runde gegen etwa 30 für seinen wichtigsten Herausforderer, den von der PiS unterstützten »Bürgerkandidaten« Karol Nawrocki. Aber schon in der wahrscheinlichen Stichwahl am 1. Juni könnte es demnach eng für Trzaskowski werden: Für Nawrocki wird ein Vorsprung von 50,4 zu 49,6 Prozent vorausgesagt.
Das sind Momentaufnahmen, aber die langsame Erosion des Vorsprungs des liberalen Kandidaten erinnert an das Schicksal Bronisław Komorowskis 2015: Er war mit 70 Prozent und seinem Amtsbonus gestartet und verlor doch gegen den damals weitgehend unbekannten Andrzej Duda von der PiS. Grund war eine Tour Dudas durch jeden der 320 polnischen Landkreise und ein Gespür für die Nöte »kleiner Leute«. Nawrocki will erkennbar an diesen Kümmererstil anknüpfen.
Ob seine Vorschläge realistisch sind, ist dabei zweitrangig: Wenn er ankündigt, er wolle in seinen ersten 100 Tagen im Amt ein Gesetz einbringen, um die Strompreise um 30 Prozent zu senken, dann ist das zunächst einmal nicht durch die parlamentarischen Kräfteverhältnisse gedeckt. Aber die Wahlkampfmanager Nawrockis setzen offenkundig darauf, dass die liberale Regierungskoalition sich nicht trauen wird, eine entsprechende Gesetzesinitiative abzublocken, wozu sie die Mehrheit hätte.
Der Fall ist symptomatisch dafür, wie die polnische Rechte die Regierungskoalition und ihren Kandidaten Trzaskowski vor sich hertreibt. Unter der Generalparole »Sicherheit für die Polen« proklamiert Nawrocki ein Ende »illegaler Migration« nach Polen, jener »muslimischen Horden, die unsere Frauen, Kinder und Innenstädte gefährden«. Und Trzaskowski sekundiert ihm: Genau, die »illegale Migration« müsse gestoppt werden, egal, was die EU dazu sage.
Mit einem weiteren Wahlkampfschlager bewegt sich Trzaskowski auf wackligem Grund: Er hat gefordert, das Kindergeld von umgerechnet circa 200 Euro pro Kind nur noch an jene ukrainischen Familien zu zahlen, deren Oberhäupter in Polen »arbeiten und Steuern zahlen«. Eine rein populistische Parole, die zwar den Überdruss der polnischen »Urbevölkerung« an den Geflüchteten aus dem Ukraine-Krieg bedienen soll, aber juristisch kaum durchsetzbar sein dürfte. Vor allem aber ist das Kindergeld in seiner Urfassung für polnische Eltern auch nicht daran geknüpft gewesen, ob die Eltern arbeiten. Entweder verbirgt sich also hinter Trzaskowskis Vorschlag die Absicht, das Kindergeld generell an die Erwerbsarbeit der Eltern zu knüpfen – was im Wahlkampf offen zu verkünden politischer Selbstmord wäre –, oder der Vorschlag ist ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach EU-Recht und insofern ohnehin nicht ernstzunehmen.
Trzaskowskis Rechtsruck erklärt sich auch daraus, dass alle andere Kandidaten überwiegend rechts von ihm stehen: Neben Nawrocki etwa Sławomir Mentzen von der nationalistisch-martkradikalen »Konföderation«, der auf Platz drei gehandelt wird, oder Sejmpräsident Szymon Hołownia, dessen Hoffnungen auf eine Präsidentschaft von Woche zu Woche geringer werden. Wie sich ihre Stimmen in der Stichwahl aufteilen werden, ist offen. Die Linke dagegen verteilt ihr Potential für die erste Runde auf inzwischen drei Bewerber: Magdalena Biejat von der regierenden Linken mit prognostizierten circa fünf Prozent, Adrian Zandberg von »Razem« mit etwa einem Prozent und als letzte noch Joanna Senyszyn, die sich offenbar um das Publikum mit positivem Bezug zur Volksrepublik Polen kümmern will. Die Hoffnung Trzaskowskis, den Anhängern der Linken werde gar nichts übrig bleiben, als ihn in der Stichwahl zu wählen, könnte dabei trügen. Denn im Moment dominiert unter ihnen eher Frustration. Die Anhänger Zandbergs und Senyszyns dürften bei der Stichwahl zu Hause bleiben, und das könnten die Prozentpunkte sein, die Trzaskowski am Ende fehlen.
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