Die Wirtschaft wünscht
Von Klaus Fischer
Deutschlands Wirtschaft steckt in der Rezession. Die Aussichten sind sogar schlechter als die aktuellen Zahlen. Und was macht die herrschende Klasse? Sie lässt ihre Lobbyisten Wünsche an Legislative und Exekutive formulieren. Dabei wird es nach der Wahl am Wochenende im Personaltableau der Spitzenämter wenig Änderungen geben. Dennoch hofft die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) auf ein »Signal«, dass die Probleme der Unternehmen »entschlossen« angepackt werden, wie sie am Donnerstag mitteilte. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert zaghaft eine »Trendumkehr«. Untermauert wird das mit den Hoffnungen auf Steuersenkungen, ein besseres Investitionsklima, konkurrenzfähige Energiepreise, mehr Ausgaben für die (marode) Infrastruktur und ein »Gesamtkonzept zur Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels«. Dies sind fromme Wünsche. Und sie werfen eine Frage auf: Woher soll das Geld dafür kommen?
Der Staat hat keins. Was er ausgibt, sammelt er über Steuern ein, presst es den Rücklagen der Renten- und Krankenversicherungen ab oder verschuldet sich weiter. Weil das die Lobbyisten kaum kümmert, überlassen sie die Umverteilung der Politik. Dabei kennen sie die Zahlen, wissen um die Bilanzen. Die Antwort dürfte klar sein: weniger Sozialausgaben. Dieser Posten ist aktuell der größte Brocken im Haushalt. Es sei denn, die US-Forderung nach Militärausgaben von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung wird umgesetzt: Das wären mehr als 200 Milliarden Euro für den Kriegstüchtigkeitsminister.
Im Land fehlen geschätzt 500.000 Wohnungen. Das Gesundheitssystem droht zu kollabieren. Bildung und Wissenschaft dümpeln auf dem Niveau eines Schwellenlandes. Wie kommt das? Hierzu herrscht Schweigen bei den Lobbyisten. 16 Jahre unter Merkels Herrschaft haben das heimische Kapital handzahm gemacht – und die Bosse wollen es sich anscheinend auch weiterhin nicht mit den Politikern verderben. Dabei liegen die Ursachen für den Niedergang auf der Hand. Und daran hat das Kapital eifrig mitgebastelt. Schnelles Geld dank der Exportstärke schien wichtiger als die Sicherung der bestehenden Konkurrenzvorteile im globalisierten »Wettbewerb«: eine gute Energieversorgung, hochqualifizierte Beschäftigte, stabile (und weitgehend friedliche) Handelsbeziehungen zu den wichtigsten Partnern sowie stabile Lieferketten. Hinzu kam der Euro, von dem die BRD-Wirtschaft besonders profitierte.
Dessen »Rettung« 2008, ein Atomausstieg ohne Konzept, das Erstarken Chinas als Konkurrent, die Vernachlässigung der Infrastruktur und ein produktivitätsfeindliches EU-Regulierungssystem zeigten Wirkung – auch wenn die Wirtschaft weiter zu boomen schien. Denn sie zehrte immer stärker von der Substanz – ein Effekt, der durch eine sorglos umgesetzte grüne Transformation und die beginnende Verrentung der Babyboomer-Generation verstärkt wurde. Spätestens 2022, als die EU sich gegen Russland verschworen hatte, um der Ukraine zum Endsieg zu verhelfen, wurde deutlich, dass Kapital und Politik in Deutschland dem Wunschdenken verfallen waren. Und jetzt kommt noch Trump – und macht klar, dass der große Bruder eine Westheimatfront etablieren wird.
Ausgerechnet CDU und CSU versprechen nun einen Politikwechsel – nachdem die Ampelregierung den Kurs der Merkel-Administration nahtlos fortgesetzt hatte. »Soziale Marktwirtschaft statt grüner Planwirtschaft« postulieren nun die Unionsparteien. Die Kapitallobby hofft, dass es stimmt. Und so fordert der BDI gleich 1,4 Billionen Euro zusätzlicher Investitionen bis 2030 – mit dem Versprechen, dass die Wirtschaft davon zwei Drittel selbst beibringen wird. Allerdings nur, wenn »die Steuerbelastung von Unternehmen auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von maximal 25 Prozent gesenkt« wird.
Das bedeutet: entweder Schuldenbremse schleifen oder unsoziale Umverteilung der Steuereinnahmen. Die bereits gestörte Balance im Staatshaushalt wird dann kippen, und die noch vorhandene soziale Stabilität im Lande dürfte endgültig zerbrechen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Markus P. aus Frankfurt (17. Februar 2025 um 00:26 Uhr)Da hat mal jemand sehr kurz und präzise die Misere zusammengefasst. Toll.
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