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Aus: Ausgabe vom 19.02.2025, Seite 2 / Ausland
Geopolitik

»Kissinger rückwärts«

Gespräche in Riad über Wiederaufnahme der Beziehungen USA–Russland
Von Jörg Kronauer
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Tauwetter in Riad. US-Außenminister trifft russischen Außenminister, 18. Februar 2025

Russland und die USA haben am Dienstag erste direkte Gespräche unter anderem über die Beendigung des Ukraine-Kriegs aufgenommen. Dazu trafen am Dienstag die Außenminister beider Länder, Sergej Lawrow und Marco Rubio, in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad zusammen. Rubio wurde vom Nationalen Sicherheitsberater Michael Waltz sowie von Steve Witkoff begleitet, der eigentlich das Amt des Sondergesandten für den Nahen und Mittleren Osten innehat. Lawrow reiste gemeinsam mit dem außenpolitischen Präsidentenberater Juri Uschakow an. Nicht vertreten war die Ukraine, deren Präsident Wolodimir Selenskij am Dienstag in der Türkei erwartet wurde. Selenskij bekräftigte, er erkenne etwaige Ergebnisse der russisch-US-amerikanischen Gespräche in Riad nicht an.

Bei den Gesprächen ging es, wie der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow vorab mitgeteilt hatte, nur partiell um den Ukraine-Krieg und schwerpunktmäßig darum, »die US-amerikanisch-russischen Beziehungen in ihrer ganzen Bandbreite wiederherzustellen«. Dies bezieht sich laut Kirill Dmitrijew, dem Leiter des russischen Staatsfonds RDIF, auch auf einen Wiederausbau der Wirtschaftskooperation. Dmitrijew wurde ebenfalls zu den Gesprächen in Riad erwartet. Vorab hatte er im Interview mit Reportern in Erinnerung gerufen, US-Ölkonzerne hätten einst »ein sehr erfolgreiches Russlandgeschäft« unterhalten; er gehe fest davon aus, einige von ihnen kämen »zu gegebener Zeit zurück«.

Während mit Blick auf eine Wiederannäherung zwischen den USA und Russland unter US-Außenpolitikern bereits spekuliert wird, Washington könne Moskau womöglich aus seinem Bündnis mit Beijing herausbrechen – von einem »Kissinger rückwärts« ist mit Blick auf die US-amerikanisch-chinesische Annäherung der 1970er Jahre die Rede –, waren die EU und ihre Mitgliedstaaten am Dienstag bemüht, sich einen Platz bei den Ukraine-Gesprächen zu erkämpfen. Während Putin am Dienstag bestätigen ließ, er sei zu einem Treffen mit Selenskij bereit, ist eine Beteiligung der EU an den Verhandlungen nach wie vor nicht in Sicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfing am Dienstag den US-Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg; sie erklärte, die EU wolle »gemeinsam mit den USA einen gerechten und dauerhaften Frieden für die Ukraine erreichen«. Dabei verwies sie darauf, die EU und ihre Mitgliedstaaten hätten insgesamt 135 Milliarden Euro für Kiew bereitgestellt, Brüssel werde seine Mittel für die Ukraine massiv aufstocken.

Von der Leyen bezog sich dabei mutmaßlich auf ein Finanzpaket, das Außenministerin Annalena Baerbock am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Gespräch mit der US-Nachrichtenagentur Bloomberg erwähnt hatte; es werde der Aufrüstung allgemein dienen – also nicht nur derjenigen der Ukraine – und eine Größenordnung ähnlich der Rettungspakete in der Euro- und in der Coronakrise haben. Zu rechnen wäre demnach mit einem Volumen von mehreren hundert Milliarden Euro.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. Februar 2025 um 10:48 Uhr)
    Festhalten lässt sich zunächst, dass die Gespräche in Riad auf höchster diplomatischer Ebene stattfinden. Dies setzt voraus, dass bereits zahlreiche Vorgespräche geführt wurden. Vorrangig geht es nun darum, das Vertrauen zwischen den beiden Großmächten wiederherzustellen – ein Vertrauen, das die US-Regierung unter Präsident Biden 2019 in Genf abrupt aufgekündigt hatte. Ein zentraler Punkt dieser Verhandlungen ist die Anerkennung Russlands als bedeutender globaler Akteur – sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Während Russlands militärische Stärke unbestritten ist, wird sie in westlichen Diskursen, insbesondere im Kontext des Ukraine-Kriegs, oft in Frage gestellt. Die Ergebnisse dieser Gespräche dürften weitreichende geopolitische Folgen haben. Für Washington steht die Schwächung der immer engeren strategischen Achse zwischen Russland und China im Mittelpunkt. Henry Kissinger formulierte einst die Maxime, dass die USA zu Russland und China jeweils bessere Beziehungen unterhalten sollten, als diese zueinander. Um diesen Grundsatz in der aktuellen Weltlage umzusetzen, müsste die US-Regierung erhebliche Zugeständnisse an Moskau machen – eine Herausforderung angesichts der verfestigten geopolitischen Fronten. Dennoch könnte eine Annäherung gelingen, nicht zuletzt aufgrund einer tief verwurzelten russischen Tradition: Die russische Elite fühlt sich historisch und kulturell Europa verbunden. Diese innere Orientierung muss der Kreml berücksichtigen, was Washington durchaus als strategische Chance begreifen könnte. Sollte es den USA gelingen, Russland aus dem engen Schulterschluss mit China zu lösen, würde dies eine fundamentale Verschiebung der geopolitischen Ordnung nach sich ziehen.

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