Wahlkampfhilfe (6). Unser Land
Von Felix Bartels
Endspurt im Bundestagswahlkampf, die Parteien geben alles. Ob es lohnt, lesen Sie hier in loser Folge. (jW)
Ein Plakat sagt mehr als tausend Programme. Und zur Sicherheit hat das BSW gleich eine ganze Reihe Wahlplakate. Vom selben Strickmuster, wenn auch mit verschiedenen Stoßrichtungen. Das Muster ist fast interessanter als die Richtungen, doch fangen wir mal bei dem an, was vor der Nase hängt. »Unser Land verdient mehr Sicherheit.« Eine Forderung wie »Freiheit für alle«, wer will da widersprechen? Kaum zufällig allerdings wird ausgerechnet ein Schlagwort gewählt, das rechte Parteien bei ihrem Dogwhistling verwenden, wenn es eigentlich um Migranten geht. Das BSW kann nicht auf so viel Kredit hoffen, dass der Beobachter diese Botschaft nicht in die Botschaft hineinliest, immerhin hat es in dieser Sorte Populismus durchaus Routine. Drei Meter weiter – ebenfalls unterm Antlitz Sahra Wagenknechts – wünscht das Land sich dann ganz offen »weniger Migration«. Wer nicht dreckig genannt werden will, sollte halt nicht im Dreck spielen.
Aber unser Land will nach weiteren Plakaten der Kampagne auch Renten, und auch dagegen ließe sich nichts sagen, wüsste man nicht, dass die Vorsitzende des nach ihr benannten Bündnisses selbst die Renten schon mit der Migration in Verbindung gebracht hat, was wiederum ein klassisches Manöver aus dem Repertoire des rechten Populismus ist, der nicht nach oben schlägt, sondern nach unten tritt. Schuld an der Armut sind die, die noch ärmer dran sind. Und für die sich in Form der Abschiebung eine (vermeintlich) einfache Lösung formulieren lässt. Frieden immerhin, den das Land sich einem anderen Plakat zufolge wünscht, wäre der eine Punkt, dem man dem BSW ohne Einschränkung geben kann. Wen keine andere Frage kümmert als diese, der mag seine Stimme beim BSW lassen.
Das Muster, sagte ich, sei interessanter. Das BSW ist an- bzw. ausgetreten mit einem berechtigten Anliegen. Die soziale Frage nämlich wieder ins Zentrum linker Politik zu rücken, die in der Partei Die Linke dominierende Identitätspolitik zu überwinden. Ziemlich bald, und nicht zuletzt in der Kampagne, zeigte sich, dass das Bündnis keine Alternative zur Identitätspolitik bereitstellt, sondern alternative Identitätspolitik. Was man hat wissen können. In Linkspartei und BSW stehen einander zwei Strömungen der Sozialdemokratie gegenüber, die sich sozial- oder wirtschaftspolitisch ebenso wenig unterscheiden wie – gut sichtbar etwa nach den ostdeutschen Landtagswahlen – in der Frage der Regierungsbeteiligung. Die Grundbewegung beider Parteien ist der Opportunismus, die Differenz liegt allein im jeweils adressierten Milieu. Die Linke fischt akademisches, junges, wokes Volk ab. So weit, so abstoßend. Das BSW sucht den kleinen Mann und den mittelständischen Unternehmer. Akademische gegen ökonomische Halbgehobenheit also, dürftig verborgen in universell klingen sollender Rhetorik. Das Wesen der beiden Parteien ist kleinbürgerlich, und die Arbeiterklasse weiterhin auf der Suche nach ihrer eigenen Klientelpartei.
Und weil die Differenz eine kulturelle ist, kann das Bündnis das Dogwhistling nicht lassen. Es muss die Leute an ihrer Angst vor falschen Pronomen, vor freier Wahl des Geschlechts, vor Zuwanderung und intellektueller Absonderung einfangen, denn diese Affekte klammern den anders nicht zu klammernden Schnitt der zwei Gruppen, die das BSW zugleich bedienen will: Lohnarbeit und Kapital. Nirgends sieht man einen linken Populismus, ein »Die da oben, wir hier unten«. Ständig bloß geht es um »unser Land« und »deutsche Interessen«. Jedes Modell von Sozialpartnerschaft benötigt Narrative als Bypass. So viel wenigstens lässt sich entschuldigen. Die rechtspopulistischen Elemente beim BSW sind nicht genuin rechts, sie kommen aus der Verlegenheit, die aus der Unklarheit einer Partei kommt, die anstelle eines Programms nur eine Person hat.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (20. Februar 2025 um 08:43 Uhr)Ich denke, die Strategie vieler wird aufgehen, wie man die Partei aus dem Bundestag fernhält, die am konsequentesten für den Frieden eintritt. Sogar Kräfte, die mit der PdL nichts am Hut haben, sprechen plötzlich ziemlich häufig über diese Partei und die Fortschritte, die sie angeblich gemacht habe. Die Eintrittswelle ist phänomenal und natürlich völlig spontan. Und dass das BSW vorrangig an blödsinnigen Positionen festgemacht wird, die es auch hat, ist natürlich völlig zufällig. Ob es eine kluge taktische Entscheidung ist, das mit der Friedensfrage als zweitrangig zu betrachten, das wird sich zeigen, wenn der Friedenskampf wieder in seine heiße Phase kommt. Dann braucht es nämlich feste Positionen statt linker Faseleien von symbolischen Abstimmungen im Bundesrat.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (19. Februar 2025 um 21:12 Uhr)Ja, wie soll ich am Sonntag abstimmen? Für eine Partei, die anstelle eines Programms nur eine Person hat, oder für eine Partei, die zwar ein Programm hat, aber keine Person, die es vertritt? Wo ist das kleinste kleine Übel? Frau, war das früher einfach, da gab es nur die SPD.
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