Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 25.02.2025, Seite 6 / Ausland
Free Mumia Abu-Jamal!

Auszeit von der Knastnation

USA: Besuch beim US-Bürgerrechtler und Langzeitgefangenen Mumia Abu-Jamal
Von Jürgen Heiser
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Es sei »mehr denn je an der Zeit, für seine Freiheit zu arbeiten«: Dies hob Jennifer Beach nach ihrem jüngsten Besuch bei dem politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal im US-Gefängnis Mahanoy in Frackville, Pennsylvania, in der vergangenen Woche hervor. Wie Beach kämpfen viele Menschen auf der Welt unentwegt für Leben und Freiheit des seit mehr als 40 Jahren eingesperrten US-Bürgerrechtlers. Die Entlassung des indigenen Freiheitskämpfers und politischen Gefangenen, Leonard Peltier, am 18. Februar dieses Jahres nach fast fünf Jahrzehnten unterstreicht, wie wichtig es ist, den Kampf niemals aufzugeben.

Beach hat als Mitbegründerin des kalifornischen Projekts Prison Radio dafür gesorgt, dass Abu-Jamal hinter der Trennscheibe als Konterfei weltweit bekannt wurde. »Bei den ersten Besuchen in den Jahren 1992 und 1993 habe ich Fotos von ihm gemacht«, schreibt sie in ihrem aktuellen Bericht. Fotos dürfen heute nur noch mit der offiziell zugelassenen Gefängniskamera gemacht werden. Seit längerem schon ist es Besuchern verboten, in Pennsylvanias Knästen Bild- und Videoaufnahmen zu machen.

Geblieben sind über die Jahre Gespräche über wichtige Themen während der Besuche. Palästina gehört dazu. »Wir sprachen über die Obszönitäten von Trumps ›Riviera‹-Plan für Gaza«, so Beach, »und ich erzählte Mumia von Ta-Nehisi Coates’ Diskussion mit Rashid Khalidi«. Der afroamerikanische Journalist der Monatszeitschrift The Atlantic hatte dem Historiker und Nahostwissenschaftler der Columbia University gesagt, er, Coates, habe die Arbeit von Martin Luther King unmittelbarer und mit mehr Respekt verstanden, »nachdem er selbst in Ostjerusalem vor Ort war und die Konsequenzen des Aufbaus einer Zukunft erlebt hatte, die ausschließlich durch das Trauma der Vergangenheit geprägt ist«, so Beach. Abu-Jamal habe genickt und ein Sprichwort angefügt, das in Gefängnissen oft zu hören sei: »Menschen, die verletzt werden, verletzen andere.«

Auch der neue US-Präsident war Thema des Besuchs. In diesem Zusammenhang habe Abu-Jamal »ironisch gelacht, als er darauf hinwies, wie die Demokraten mit ihrer Masseninhaftierung das größte öffentliche Arbeitsprogramm dieses Jahrhunderts auf den Weg gebracht« hätten. »Sie sicherten damit die Arbeitsplätze für Generationen von Arbeitern in deindustrialisierten Regionen«, so der Langzeitgefangene zu Beach. Das Paradoxe: Arbeiter, die zu Gefängniswärtern umgeschult wurden, haben nun zuhauf ebenjener Partei die Loyalität aufgekündigt, »deren Brot sie essen«.

Seine aktuellen Recherchen zur Rolle der Frauen in der Black Panther Party (BPP) hätten laut dem früheren Panther Mumia ergeben: »Wenn man sich den Großteil des Programms ansieht, war es in erster Linie eine Organisation von Frauen«. Er lud Beach dazu ein, »einmal darüber nachzudenken, ob die Dinge vielleicht anders verlaufen wären, wenn die Presse die Partei als ein Frauenprojekt dargestellt hätte«. Wenn also das landesweite Frühstücksprogramm für schwarze Schulkinder und die von der BPP in den Ghettos der Schwarzen und Latinos betriebenen Free Clinics, in denen die Frauen der BPP jeweils die Hauptarbeit leisteten, »in den Vordergrund gestellt worden wären statt der jungen Männer und ihrer Waffen«, so Abu-Jamals Denkanstoß.

Der Besuch sei ein Nachmittag gewesen, »wie man ihn mit jedem geistreichen, belesenen und einfühlsamen Freund verbringen könnte«, so die Aktivistin. »Wir tauschten uns lachend über unsere Altersbeschwerden aus – seine Sehschwäche, meine Steifheit –, teilten uns ein Sandwich und eine Flasche Wasser, Chips und Schokolade.« Dabei diskutierten sie über die fiktionale Erzählung, die US-Autor John Edgar Wideman 2008 über Frantz Fanon geschrieben hatte. Anlass für Abu-Jamal, von den ersten Kapiteln seiner Dissertation zu berichten, einer Forschungsarbeit über die Entwicklung des antikolonialen Denkens Fanons, des Vordenkers der Entkolonialisierung der Welt.

»Es lief wie in so vielen Gesprächen unter langjährigen Aktivisten und Genossen«, erinnert sich Beach. »Mit unserer Analyse und unserem Lachen schufen wir – für kurze Zeit – einen befreiten Raum innerhalb der verzerrten Realität der US-Gefängnisnation«.

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