Colombo legt Haushalt vor
Von Thomas Berger
Eins ist unverkennbar: Die Stimmung in Sri Lanka hat sich nach dem Wahlsieg des Marxisten Anura Kumara Dissanayake im September 2024 und den Parlamentswahlen zwei Monate später ins Positive gewendet. Erst vor drei Jahren hatte dem Land ein wirtschaftlicher Zusammenbruch gedroht. In der vergangenen Woche stellte Präsident Dissanayake nun seinen ersten Haushalt vor, dessen Verkündung zusammen mit einem kleinen Jubiläum fiel: Es waren rund 100 Tage vergangen, seit die Linksallianz National People’s Power (NPP) unter dem Vorsitz von Dissanayake auch bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus ein starkes Mandat errungen hatte. 62 Prozent der Wahlberechtigten sprachen dem Bündnis im November ihr Vertrauen aus. Damit konnte die NPP regieren, ohne etwa auf bremsende Koalitionspartner Rücksicht nehmen zu müssen.
Auch wenn die im Bündnis dominierende kommunistische Volksbefreiungsfront (Janatha Vimukthi Peramuna) des Präsidenten keine neue Partei ist, gilt die Allianz als junge Kraft, die mit dem politischen Establishment, verbreiteter Korruption, Seilschaften im Staatsapparat, Mittelverschwendung und Ineffizienz aufräumen will. Gleiches gilt für Dissanayake und Premierministerin Harini Amarasuriya, die als unbelastete Vertreter einer neuen Politikergeneration gesehen werden. Ein Staatsbesuch in Indien zum Jahresende, im Januar dann einer in China – tatsächlich ist die Führung Colombos bemüht, eine neue Balance in der Außenpolitik und damit auch unverzichtbare Hilfen für die weitere wirtschaftliche Gesundung des Landes und größere Investitionen zum Ausbau der Infrastruktur zu finden. Dissanayakes Amtsvorgänger, Expremier und Übergangspräsident Ranil Wickremesinghe, hatte das Land jahrzehntelang an den politischen Westen und dessen neoliberale Agenda gebunden.
Bei Dissanayake und seinem Team ist hingegen das Bestreben ersichtlich, gekappte Kontakte nach China zu reaktivieren und eine Zusammenarbeit auf eine solide neue Basis ohne allzu exzessive Abhängigkeiten zu stellen. Denn die einseitige Bindung an milliardenschwere Unterstützung aus Beijing durch den lange Zeit dominierenden Rajapaksa-Clan unter den Expräsidenten und Brüdern Mahinda Rajapaksa (2005–2015) und Gotabaya Rajapaksa (2019–2022) wurde von vielen kritisch gesehen.
Zu den vielen kleinen Hoffnungszeichen in jüngster Zeit gehört, dass Sri Lanka 2024 erstmals seit 2018 wieder etwas über zwei Millionen Touristen zählte. Durch die »Osterbomben«-Anschläge auf Kirchen und Luxushotels 2019, die anschließende Coronapandemie und zuletzt die Wirtschaftskrise war diese zentrale Branche, die ein wichtiger Deviseneinbringer ist, stark eingebrochen. Mit der Aufhebung der Visapflicht für 39 Länder hofft die Regierung in diesem Jahr sogar auf einen neuen Rekord von drei Millionen Besuchern. Auch wenn Sri Lanka weiter am Tropf des Internationalen Währungsfonds hängt, will die neue Regierung erklärtermaßen sozialpolitisch mehr erreichen und hat dazu nach eigenen Angaben im Haushalt die höchsten Mittelzuweisungen für den Gesundheits- und Bildungssektor festgelegt. Allerdings wurde auch der Militäretat um drei Prozent auf umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro angehoben.
Bei den Wahlen hatte die NPP auch bei Minderheiten Stimmenzuwächse verzeichnet, wenngleich deren Angehörige oft noch skeptisch blieben. Die Tamilen als größte ethnische Gruppe abseits der die Bevölkerungsmehrheit stellenden Singhalesen dürften gespannt auf eine Ankündigung vom Donnerstag blicken. So soll »eine Neubewertung« der vom Militär besetzten tamilischen Gebiete im Norden und Osten der Insel durchgeführt »und entsprechende Entscheidungen über ihre Freigabe getroffen werden«, erklärte das Verteidigungsministerium. Denn auch nach dem blutigen und finalen Sieg im Mai 2009 über die Rebellen der Befreiungskämpfer von Tamil Eelam (LTTE), die seit 1983 für einen eigenen Tamilenstaat gekämpft hatten, gehört ihr Land zu den militarisiertesten weltweit.
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