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Aus: Ausgabe vom 26.02.2025, Seite 2 / Inland
Union Busting

»Vom Arbeitsamt wurde ich gesperrt«

Trotz Saubermann-Image wird das konzerneigene DM-Verteilzentrum in Weilerswist mit harter Hand geführt. Ein Gespräch mit Michael Betke
Interview: Max Ongsiek
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Kämpferisch: Angesichts Betkes fristloser Kündigung durch den Großdrogisten DM zeigen sich die Verteilzentrumsbeschäftigten solidarisch mit ihrem Betriebsratsvorsitzenden

Sie sind Betriebsratschef bei DM in NRW. Wie hat sich die Unternehmenskultur beim Drogeriekonzern geändert seit Christoph Werner, Sohn des Gründers Götz Werner, 2019 das Ruder übernommen hat?

Meines Erachtens ist es jetzt mehr auf Profit ausgerichtet. Auf das zwischenmenschliche Miteinander und die Beschäftigten selbst wird bedeutend weniger Rücksicht genommen. Der Führungsstil ist oftmals von »oben herab«.

Einer aktuellen Studie des Magazins Stern mit der Statistikplattform Statista zufolge ist DM der »beliebteste Arbeitgeber Deutschlands«. Wie haben die Beschäftigten Ihres Verteilzentrums auf diese Umfrage reagiert?

Die Werktätigen des Verteilzentrums waren eher überrascht, dass die Beliebtheit so bewertet wurde. »Uns hat keiner gefragt«, war der Tenor der Belegschaftsversammlung, als die Studie dort präsentiert wurde.

In der betriebsinternen Veranstaltung »Dialog im Verteilzentrum« antwortete die Standortleitung auf kritische und besorgte Nachfragen, ob mögliche Stellenkürzungen kommen würden, mit dem Satz: »Wir sind schließlich in Deutschland und nicht in Afrika.« Was war da los?

Der Satz war meines Erachtens problematisch. Standortleiter Christian Beutin sagte, man werde sich nicht vorschnell von Kollegen trennen, die DM nicht wolle. Das würde in Deutschland nicht passieren. Wir seien hier ja nicht mitten in Afrika, wo man das machen könne. Da die Kollegenschaft im Verteilzentrum ziemlich multikulturell geprägt ist, waren die Buhrufe besonders laut.

Können es sich Konzerne angesichts des Fachkräftemangels überhaupt leisten, ihre Beschäftigten so zu behandeln?

Mit ihrem Betriebsrat haben die Menschen über die letzten Jahre an Selbstbewusstsein gewonnen, auch durch die damit einhergehenden verbesserten Arbeitsbedingungen. Diesen Fortschritt versucht die Betriebsleitung jetzt Stück für Stück zurückzudrehen. Das ist meine Interpretation.

Der Kölner Stadtanzeiger berichtete vergangenen Freitag über »frostige Weihnachtsgrüße«, die kurz vor den Festtagen in Ihrem Verteilzentrum auslagen. Im Gutsherrenton forderten die Abteilungsleitungen ihre Beschäftigten dort nicht nur auf, sich selbstkritisch zu fragen, wie man denn »produktiver« werden könne, sondern drohten direkt mit Sanktionen, wenn nicht gespurt werde. Dort war zu lesen: »Wir werden keine arbeitsvertraglichen Verfehlungen tolerieren. Maßnahmen werden ergriffen.« Welche Verfehlungen und Maßnahmen sind gemeint?

Es liegen mittlerweile viele Fälle vor. Auf ein nicht rechtzeitiges Abmelden von der Arbeit im Krankheitsfall folgt dann zum Beispiel direkt eine Abmahnung. So etwas hätte es meiner Meinung nach früher nicht gegeben. Ein Kollege berichtete, dass er drei Tage lang von einem sogenannten Mitarbeiterverantwortlichen beobachtet wurde, dieser folgte ihm bis zu den Toiletten, ohne ein Wort zu sagen. Deswegen wundert es auch nicht, dass es in den häufigsten Beschwerden, die den Betriebsrat erreichen, um die Behandlung durch Vorgesetzte geht.

DM wollte Sie außerordentlich kündigen. Unter anderem warf man Ihnen Arbeitszeitbetrug vor. In der ersten Instanz hatte das Unternehmen vor dem Bonner Arbeitsgericht verloren. In der nächsthöheren Instanz, dem Kölner Landesarbeitsgericht, wollte DM die Gerichtsentscheidung anfechten, zog sich aber einen Tag vor Prozessbeginn zurück. Warum?

Ich glaube, die wollten diesen ganzen Presserummel nicht haben. Auch die weiteren, mir vorgeworfenen Gründe hätten niemals eine Kündigung meiner Person begründen können. Während DM beim Landesarbeitsgericht Köln eine Beschwerde zu dieser Entscheidung einlegte, behauptete das Unternehmen, ich wäre in einer Betriebsversammlung zurückgetreten. Dann wurden einfach die Gehaltszahlungen eingestellt. Vom Arbeitsamt wurde ich gesperrt, bekam kein Arbeitslosengeld. Zwar hatte sich die Gewerkschaft eingeschaltet, aber ungefähr zwei Monate lang habe ich keinen einzigen Cent bekommen. Glücklicherweise hatte ich Kollegen, die solidarisch zu mir standen.

Michael Betke ist Betriebsratsvorsitzender des DM-Verteilzentrums Weilerswist (bei Köln)

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