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Aus: Ausgabe vom 26.02.2025, Seite 4 / Inland
Prozess gegen »Hamas-Mitglieder«

Staatliche Machtdemonstration

Berlin: Vier angebliche Hamas-Mitglieder wegen »Waffendepots« in Europa vor Gericht. Hohe Sicherheitsvorkehrungen
Von Jamal Iqrith
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Rund 5,3 Millionen Euro hat der Hochsicherheitssaal in Berlin-Moabit gekostet (5.1.2021)

Strenger als in Stammheim: kein Laptop, kein Handy, kein Wasser. Im 5,3 Millionen Euro teuren, hermetisch abgeriegelten Hochsicherheitssaal 142 im Kriminalgericht in Berlin-Moabit sitzen die Journalisten und Zuhörer ohne moderne Hilfsmittel hinter schusssicherem Glas – abgeschirmt von Richtern, Anklägern, Verteidigung, Übersetzern. Die Angeklagten sind nochmals abgeschirmt in Einzelkabinen aus Panzerglas untergebracht. Bei dieser staatlichen Selbstinszenierung wird auch der härteste Schurke demütig.

Die Verhandlung vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts am Dienstag begann rund anderthalb Stunden später als ursprünglich angesetzt – wegen verstärkter Einlasskontrollen. Angeklagt sind vier Männer, die angeblich Mitglieder der palästinensischen Organisation Hamas sein sollen. Die vor allem im Gazastreifen aktive Partei (arabisch »Islamische Widerstandsbewegung«) wird von der EU als Terrororganisation eingestuft. Den Männern im Alter zwischen 35 und 57 wird vorgeworfen, als »Auslandsoperateure« des militärischen Flügels der Hamas (Kassam-Birgaden) für die Verwaltung von Waffendepots in mehreren europäischen Staaten zuständig gewesen zu sein.

Dabei sollen sie in »unmittelbarer Anbindung« an Führungskräfte der Kassam-Brigaden gewesen sein. Die Generalbundesanwaltschaft hatte im Dezember 2023 drei der Männer in Berlin und einen im niederländischen Rotterdam festnehmen lassen. Seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft. Den ersten Tip soll laut Bundesanwaltschaft ein »ausländischer Geheimdienst« gegeben haben.

Zu Beginn der Sitzung ließ die Vorsitzende Richterin die Personalien der Angeklagten feststellen. Auf die Frage nach ihren Staatsangehörigkeiten antworteten zwei der Angeklagten, sie seien Palästinenser. Das akzeptierte die Richterin ohne weitere Nachfragen. Dabei erkennt die Bundesrepublik aktuell keinen palästinensischen Staat an. Laut Anklage sollten die Männer im Zusammenhang mit den Angriffen der Hamas vom 7. Oktober 2023 in Südisrael die deponierten Waffen in Europa verfügbar halten. Am 7. Oktober wurden in Israel 1.200 Menschen getötet. Auf den 7. Oktober folgte die israelische Luft- und Bodenoffensive im Gazastreifen, bei der nach Schätzungen bisher über 60.000 Menschen getötet wurden, darunter mindestens 16.000 Kinder. Als mögliche Anschlagsziele in Europa habe die Hamas die israelische Botschaft in Berlin und die US-Airbase in Ramstein im Auge gehabt. Bezeichnenderweise lautet die Formulierung der Bundesanwaltschaft »Anschläge gegen jüdische Einrichtungen in Europa«.

Bisher hat die 1987 aus der Muslimbruderschaft hervorgegangene Organisation allerdings noch nie Anschläge außerhalb Israels/Palästinas durchgeführt. Auch andere Punkte der Anklage werfen Fragen auf. So soll es zusätzlich zu Depots in Dänemark und Bulgarien, in denen unter anderem eine Kalaschnikow gelagert worden sein soll, noch ein Lager in Polen gegeben haben. Letzteres habe aber weder von den Männern noch von den Ermittlungsbehörden gefunden werden können. Einer der Angeklagten soll zudem »mindestens eine Pistole« nach Deutschland überführt haben. Neben der »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland« stehen daher auch Verstöße gegen Waffengesetze im Raum. Die Aufträge für die unterirdischen Lager sollen von hochrangigen Hamas-Mitgliedern wie dem im November getöteten stellvertretenden Kommandeur der Kassam-Brigaden im Libanon, Khalil Hamid Kharraz, gekommen sein. Ein Verteidiger wies allerdings auf einen »Übersetzungsfehler« in dem Zusammenhang hin. Auch handele es sich bei der Pfadfinderorganisation, in der sein Mandant aktiv gewesen sei, keineswegs um eine Vorfeldorganisation der Hamas. Er hoffe, dass das Gericht trotz der »aktuellen politischen Lage« und der »Staatsräson« hinreichend »offen für Alternativthesen« zur Version der Anklage sei.

Die Vorwürfe erhärten sollen zahlreiche von Ermittlungsbehörden sichergestellte Datenträger wie Smartphones und USB-Sticks sowie Textnachrichten. Rund 50 Zeugen und mehrere Sachverständige sollen gehört werden. Bisher sind 57 Verhandlungstermine bis Ende 2025 geplant.

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