Kriegsjubel in »Blau-Gelb«
Von Susann Witt-Stahl
Busse, U-Bahnen und im Hafen die Barkassen stoppten am Montag um Punkt zwölf Uhr. Für eine Minute stand ganz Hamburg still – eine Aktion, die die Bürger unter der Devise »Alle zusammen gegen Russland« zur Geschlossenheit mahnen soll, und die bereits zum dritten Mal in der Hansestadt stattfand. Sie wurde noch durch das Abspielen der ukrainischen Nationalhymne in lokalen Radiosendern begleitet.
Auf der Demonstration und Kundgebung in der Hamburger Innenstadt, an der sich laut Polizeiangaben rund 1.800 Menschen beteiligten, wurde »Frieden zu den Bedingungen der Ukraine« gefordert. Auf ihrem Fronttransparent befeuerten die Veranstalter die grassierende Russophobie durch Entfaltung eines Schreckensszenarios: »Sollte die Ukraine fallen, wird Russland zu Ihnen kommen.«
Bei dem vom Verein Vilni und dem Bund ukrainischer Veteranen und Kriegsverletzter organisierten Protest wurde, wie gewohnt, nicht an Hitlervergleichen gespart. Selbst die Vizebürgermeisterin, Katharina Fegebank (Bündnis 90/Die Grünen), fand nichts dabei, ihre Rede auf einer improvisierten Kundgebungsbühne hinter einem roten Schild mit aus zwei schwarzen Buchstaben Z geformten Hakenkreuz und der Aufschrift »Ruzzia 3rd Reich 2022« zu halten: Die Grünen-Politikerin warnte davor, dass aus der Ukraine werden könnte, was sie spätestens seit dem »Euromaidan« vor allem für den Westen ist: ein »Spielball« von Machtinteressen. Es dürfe keinen »Diktatfrieden« zu dem Preis geben, »dass auch unsere Demokratie und Freiheit in Europa bedroht ist«, so Fegebank. »Daher bedarf es jetzt eines starken Deutschlands.« Dieses definierten Vertreter anderer liberalen Parteien aus: »Wir müssen die Ukraine auch weiterhin unterstützen, zur Not auch vollkommen ohne die USA«, sagte ein Redner der Volt-Partei unter großem Applaus. »Ob wir dafür zwei Prozent, drei Prozent, fünf Prozent oder mehr unseres Bruttoinlandsprodukts ausgeben müssen, darf keine Rolle spielen.«
Die Kundgebung der ukrainischen Diasporaorganisationen war getragen von großen Hoffnungen, die nach der Bundestagswahl aufkeimen. Gefeiert wurde die Niederlage des BSW als »Erfolg gegen die russische Propaganda«, vor allem aber ein CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz, der einen weitgehend verschütteten Traum doch noch wahr werden lassen könnte: Die Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern – wie sie auch eine Sprecherin der FDP forderte, die deutlich machte, dass etwas anderes als ein Sieg der Ukraine nicht akzeptabel sei.
Die Redner verloren kein Wort über die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung in der Ukraine. Und kein Ausdruck von authentischem Schmerz über die schweren Verluste und Verheerungen in dem Land, etwa in Liedern und Gedichten, ohne dass er von nationalistischen Tönen neutralisiert wurde. Außer dass sich die Masse dem üblichen »Slawa Ukraini!«-Rausch hingab, waren auch wiederholt die letzten Zeilen des »Gebets des ukrainischen Nationalisten« der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten zu vernehmen. Vereinzelt wurde die rot-schwarze Fahne der Banderisten gezeigt.
Ein ähnliches Bild bot sich in anderen Städten, wie München, Dresden, Leipzig, wo der »gemeinsame Sieg über das putinistische Böse« beschworen wurde, und in Köln. Dort verlangten die Organisatoren vom Blau-Gelben Kreuz schon in ihrem Aufruf ein Ende der deutschen Zurückhaltung und einen neuen Kanzler, der sich »von Russland nicht länger irritieren und verunsichern« lässt.
In Berlin sorgten Cem Özdemir (Grüne) und Kai Wegner (CDU) vor einem in blau-gelb getauchten Brandenburger Tor für volksgemeinschaftliche Hochgefühle. »Eine freie Ukraine ist eine Lebensversicherung für ein freies Deutschland«, so der Landwirtschaftsminister. »Europa steht zusammen. Berlin steht zusammen«, versprach der Bürgermeister – ebenso »dass wir den Diktator Putin niemals gewinnen lassen«. Die bundesweit größte Kundgebung mit rund 8.000 Teilnehmern wurde, wie bereits im vergangenen Jahr, von Kriegslinken unterstützt. Ein »Anarchist Block« gegen »russischen faschistischen Imperialismus« schloss sich nach einer eigenen Demonstration der Veranstaltung an.
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