Falsche Freunde
Von Wiebke Diehl
Der langjährige Anführer der libanesischen Drusen, Walid Dschumblat, hat vor einem »israelischen Komplott« gewarnt, Syrien entlang konfessioneller Linien zu »sabotieren und zu spalten«. Dieser Plan gefährde die »nationale Sicherheit der Araber«, so Dschumblat, der zudem einen Besuch in Syrien ankündigte, am Sonntag auf einer Pressekonferenz. Einen Tag zuvor hatten der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein Kriegsminister Israel Katz ihre Armee aufgefordert, sich auf die »Verteidigung« der mehrheitlich von Drusen besiedelten Stadt Dscharamana vorzubereiten. Dscharamana liegt nur etwa zehn Kilometer südlich der Hauptstadt Damaskus. Dort kommt es seit Freitag zu Zusammenstößen zwischen Einwohnern und Milizionären der Haiat Tahrir Al-Scham (HTS), die unter Führung des früheren Al-Qaida- und IS-Kommandanten und jetzigen Interimspräsidenten Ahmed Al-Scharaa am 8. Dezember Baschar Al-Assad gestürzt haben.
Die Anführer der drusischen Gemeinschaft wiesen die israelischen Äußerungen entschieden zurück. »Die Menschen von Dscharamana sind stolze syrische Araber, die tief mit ihrem Land verbunden sind. Wir haben niemanden um Schutz gebeten«, hieß es in einer Erklärung. Seit dem Sturz Assads wird Dscharamana von lokalen drusischen Selbstverteidigungseinheiten kontrolliert. Am Freitag allerdings drangen zwei HTS-Mitglieder in die Stadt ein und eröffneten das Feuer auf drusische Bewaffnete, die den Beschuss erwiderten. Dabei wurde einer der beiden Milizionäre getötet. Am selben Tag stach ein HTS-Kämpfer auf einen Drusen ein, der ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Am Sonnabend dann begann die HTS, Barrikaden rund um Dscharamana zu errichten. Den drusischen Selbstverteidigungskräften stellten sie ein fünftägiges Ultimatum, ihre Waffen abzugeben. Daraufhin entsandte der neu gebildete Militärrat von Suweida im Süden Syriens Kampfeinheiten zur Verteidigung Dscharamanas. In Suweida war es bereits Anfang vergangener Woche zu Protesten gekommen, nachdem Netanjahu eine Entmilitarisierung Südsyriens gefordert hatte.
Am Sonntag marschierte eine begrenzte Anzahl von Einsatzkräften der HTS-geführten Übergangsregierung in Dscharamana ein. Man wolle »dem Chaos und den illegalen Kontrollpunkten ein Ende setzen«, so der Direktor der »Sicherheitsabteilung« Damaskus-Umland, Hussam Tahhan. Diese seien »von gesetzlosen Gruppen« errichtet worden, »die zu Entführungen, Morden und bewaffneten Raubüberfällen greifen«. Tatsächlich sind in Syrien seit der HTS-Machtübernahme vielmehr Übergriffe auf und Massaker an Minderheiten an der Tagesordnung.
Derweil hofft die israelische Regierung offenbar, unter dem Vorwand des Minderheitenschutzes die Besetzung in Syrien sowie eine Ausweitung der eigenen Militärpräsenz »legitimieren« zu können. Seit dem Sturz der Regierung Assad hat die israelische Luftwaffe einen Großteil der Kapazitäten der syrischen Armee zerstört, man hat eine »Pufferzone« sowie inzwischen neun Militärstützpunkte im syrischen Hermongebirge und im besetzten Golan errichtet. Fast täglich fallen Soldaten in syrische Dörfer und Städte in den Gouvernoraten Suweida und Kuneitra ein. Außerdem: Bis zu 40 Prozent der syrischen Wasserversorgung sind unter Kontrolle der israelischen Armee.
Vergangene Woche erklärte »Verteidigungsminister« Katz, die fortdauernde Besetzung Südlibanons, aus dem sich Israel laut Waffenstillstandsabkommen am 18. Februar vollständig hätte zurückziehen sollen, und in Syrien werde »auf unbestimmte Zeit« beibehalten. Der israelischen Besetzung haben die De-facto-Machthaber in Damaskus bislang nichts entgegengesetzt. In Israel kursieren zunehmend Forderungen nach der Schaffung eines »Großisrael«, das sich bis Damaskus, in den Libanon und den Irak, nach Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien ausdehnen soll. Am vergangenen Freitag berichtete Reuters, Tel Aviv lobbyiere in Washington für einen Verbleib der russischen Militärstützpunkte in Tartus und Latakia als Ausgleich zum türkischen Einfluss in Syrien.
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