Geeinte Bürgerliche in Bern
Von Kim Nowak
Als »Eklat« bespricht die bürgerliche Presse das Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij mit US-Präsident Donald Trump am Freitag in Washington. Bei der Zusammenkunft war Selenskij von Trump und seinem Vize J. D. Vance vorgeführt worden, Meinungsverschiedenheiten mit ihm wurden vor laufenden Kameras ausgetragen. Wie in anderen europäischen Staaten zeigt man sich in Bern »schockiert«. Das sind jedenfalls die Worte der sozialdemokratischen Ständerätin Franziska Roth (SP), Mitglied der außenpolitischen Kommission der kleineren Kammer des Schweizer Parlaments, gegenüber dem SRF: Trump trete »die westlichen Werte und die Demokratie mit Füßen«.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hat die Alpenrepublik »Hilfsgüter« im Wert von 477 Millionen Franken (510 Millionen Euro) nach Kiew transportiert. Darunter befinden sich vor allem Maschinen zur Beseitigung von Trümmern und Schutt, wie der Bundesrat im Oktober 2024 aufschlüsselte. Kriegsmaterial wird ebenfalls verfrachtet – wenn auch nicht direkt. So hat die Schweiz seit 2022 zweimal für sie vorgesehene Waffenlieferungen getauscht. Im Juni 2022 wurden schultergestützte NLAW-Mehrzweckwaffen an Großbritannien abgetreten, im Oktober 2024 mobile Panzerabwehrlenkwaffen »RGW 90« an Berlin. Alle erreichten auf diesem Umweg die Ukraine.
Aus Sicht der Sozialdemokraten soll das so weitergehen. Man müsse nun »zusammenstehen« und »uns mit den europäischen Ländern für die Ukraine einsetzen und Amerika die Stirn bieten«, so Roth. Die transatlantische FDP sieht das ähnlich. Der »Akt der Unfreundlichkeit«, wie Ständerat Damian Müller (FDP) die Washingtoner Zusammenkunft vom Freitag zusammenfasste, fordere eine engere Zusammenarbeit mit der EU und den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation. Konkreter in der Abwendung vom Schweizer Grundsatz der Neutralität wurde in einer SRF-Diskussionsrunde, der »Arena«, am Freitag Nationalrätin Farah Rumy (SP): »Wir müssen uns in die europäische Sicherheitsarchitektur einbetten und unabhängiger von den USA werden.« Benedikt Würth, Ständerat der christdemokratischen »Mitte«, stimmte dem zu, warnte jedoch davor, sich von den USA komplett abzuwenden.
Während der bürgerliche Block weitgehend einig ist, sich der EU weiter anzunähern und der Ukraine »beizustehen«, pocht die rechtsnationale Schweizer Volkspartei (SVP) auf Neutralität. So betonte Nationalrat Alfred Heer (SVP), dass sich Bern nicht zu sehr auf eine Seite werfen dürfe, wie das in der Vergangenheit im Ukraine-Krieg in Richtung Kiews geschehen sei. Die Aufgabe der Schweiz sei die des »Vermittlers«, stellte der Außenpolitiker Ronald Rino Büchel klar, SVP-Parlamentarier und Mitglied der außenpolitischen Kommission des Nationalrats. Er forderte, »zurück zur Neutralität« zu finden. Dass gerade der vorgebliche Rückzug Washingtons die Frage der Schweizer Neutralität wieder aufwirft, mutet ironisch an: Der »Wertewesten« steckt in der Krise, und die bürgerlichen Parteien nutzen dies, um die Neutralität noch weiter zu schleifen.
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