Kostspieliges Mittagessen
Von Nico Popp
Innerhalb des BSW verschärfen sich nach dem knappen Scheitern bei der Bundestagswahl die Auseinandersetzungen. Dabei rückt insbesondere der Thüringer Landesverband in den Fokus, der bereits im Oktober 2024 öffentlich angezählt worden war, nachdem die Sondierungsgespräche mit CDU und SPD von den dortigen Verhandlern des BSW etwas zu kompromissfreudig geführt worden waren. Letztlich hatte sich damals allerdings die entschlossen in die Regierung drängende Thüringer BSW-Spitze um Katja Wolf und Steffen Schütz durchgesetzt.
Dass Parteichefin Sahra Wagenknecht mit der Regierungsbeteiligung in Thüringen hadert, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Bereits vor der Bundestagswahl sagte sie dieser Zeitung, es sei offensichtlich, »dass wir insbesondere durch die Koalition mit der CDU in Thüringen nicht wenige Wähler enttäuscht und wieder verloren haben«. Die Zahlen vom 23. Februar scheinen das zu bestätigen: In Thüringen, wo das BSW in Umfragen lange Zeit auf Höchstwerte und bei der Landtagswahl am 1. September 2024 auf 15,8 Prozent der Stimmen gekommen war, standen nun unter dem Strich nur noch 9,4 Prozent – das zweitschlechteste Ergebnis in den ostdeutschen Flächenländern.
Die BSW-Führung in Thüringen sieht sich unter Druck. Nun hat sich der zum Infrastrukturminister avancierte Schütz via Stern über »Bestrebungen in der Bundespartei« und auch im Landesverband beklagt, die Regierungsbeteiligung »zu beenden«. Es treffe ihn »persönlich«, wenn die Bundesvorsitzende sage, »dass wir in Thüringen nicht einmal in der Lage seien, ein kostenfreies Mittagessen für Schüler möglich zu machen«. Wagenknecht hatte nach der Bundestagswahl erklärt, dass eine »verfehlte Politik« nicht über Landeshaushalte zu korrigieren sei, in denen 90 Prozent der Ausgaben für Pflichtaufgaben reserviert seien »und ein kostenloses Mittagessen für Schüler an fehlenden Finanzen scheitert«. Das kostenfreie Essen war im Thüringer Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt worden; Ende Januar betonte Finanzministerin Wolf dann, dass dafür bis einschließlich 2027 keine Mittel verfügbar seien. Schütz sagte dem Stern gleichwohl, das Abschneiden bei der Bundestagswahl habe nichts mit Thüringen zu tun, »sondern damit, dass sich nach außen nur auf das Friedensthema konzentriert wurde«.
Der Intervention von Schütz vorausgegangen war ein Bericht der FAZ, in dem auf der Grundlage des augenscheinlich durchgestochenen Mailwechsels zwischen Mitgliedern der BSW-Führung vom Tag nach der Bundestagswahl über gegenseitige Schuldzuweisungen berichtet wird. Der rheinland-pfälzische BSW-Chef Alexander Ulrich nannte demnach als Gründe für den Nichteinzug die restriktive Mitgliederaufnahme und die Abstimmung über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, ging namentlich aber vor allem Wolf direkt an: Die habe im Wahlkampf »keine einzige Veranstaltung gemacht«. Wolf habe sich, zitiert die FAZ, dagegen mit den Worten verwahrt, sie kenne »diese Art der Verleumdung nicht mal aus der Linken«. Ulrich legte nach und Wolf den Rücktritt nahe: Sie sei das »Sinnbild für den Nichteinzug«. Es brauche »Personen, denen die eigene Karriere nicht so wichtig ist«.
Ob diese Auseinandersetzungen weiter eskalieren, ist vorläufig offen. Es gibt Anzeichen für eine Abstimmung zwischen den »regierenden« Landesverbänden in Thüringen und Brandenburg, die darauf zielen könnte, die bundespolitische Ausrichtung der Partei zu beeinflussen. Gleichzeitig gibt es Spekulationen, dass beim Thüringer Landesparteitag im April ein Versuch gemacht werden könnte, einen Beschluss gegen die Regierungsbeteiligung herbeizuführen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Raimon B. aus Chemnitz (10. März 2025 um 09:59 Uhr)Enttäuschung, gepaart mit Wut, macht sich bei mir angesichts der politischen und personellen Entwicklung in Teilen des BSW breit. Was sich mit dem Wischiwaschi in den sogenannten Koalitionsverhandlungen nach den Landtagswahlen vor allem in Thüringen abzeichnete, findet seine Fortsetzung in der Regierungsbeteiligung. Unmissverständliche Programmaussagen und Wahlversprechungen werden durch die Parteispitzen mit Blick auf eine lockende Machtbeteiligung beiseitegeschoben. Vorstände nicken den ausgehandelten Koalitionspapieren zu, und die Basis ist mit ihrem leisen Grummeln außen vor. Vergessen, dass sich der Wähler konsequent für eine Partei entschieden hat, die ihre friedens- und sozialpolitischen Interessen sowie Erwartungen offensiv, kämpferisch und ohne Wenn und Aber vertreten soll. Der politische Verrat durch Partei- und Amtsträger des so hoffnungsvoll gestarteten BSW hat die restriktive Mitgliederpolitik nicht verhindern können. Ganz im Gegenteil, sie hat der Entwicklung und Profilierung nur geschadet. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die ehemalige Bürgermeisterin von Eisenach nur die Partei Die Linke gewechselt hat, weil im BSW ihre Profilierungsaussichten wesentlich besser waren. Sie hat Recht behalten, denn sie sitzt gut abgesichert in einer Landesregierung. Opportunismus in der Linken ist selbstzerstörerisch und treibt enttäuschte Wähler in die Arme derer, die sich eine wirkliche Opposition zu den herrschenden politischen Verhältnissen wünschen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (10. März 2025 um 20:56 Uhr)Lieber Raimon B., ich weiß nicht, ob es gut ist, bei der Demontage des BSW mitzutun. Dass es den Herrschenden quer im Halse steckt und sie deshalb alles unternommen haben, um das BSW aus dem Bundestag fernzuhalten, zeigt: Es hat auch so Gegner genug. Ich denke, wir sollten uns hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten, bloß weil es die üblichen Kinderkrankheiten hat. Mit uns haben die Altvorderen auch ziemlich viel Geduld haben müssen, bis wir einigermaßen gerade in der Landschaft standen. Damals habe ich gelernt: Geduld ist eine sehr lobenswerte Eigenschaft von Revolutionären.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (11. März 2025 um 14:30 Uhr)»...wir sollten uns hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten, bloß weil es die üblichen Kinderkrankheiten hat«. Rassismus wird als »übliche Kinderkrankheit« verharmlost. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals daran erkrankt zu sein. Im Gegensatz zu einigen jW-Lesern haben viele potentielle BSW-Wähler das Wahlprogramm gelesen. Auch durch die Omnipräsenz der Vorsitzenden in Talkshows konnte man sich ein Urteil bilden.
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