»Viele wissen nicht von der Stationierung«
Interview: Annuschka Eckhardt
Die USA planen, 2026 Mittelstreckenraketen in Deutschland aufzustellen. Wie bekannt wurde, sind die Befehlseinheiten bereits seit 2021 in Wiesbaden stationiert. Was ist das Gefährliche daran?
In Wiesbaden sollen drei verschiedene Typen von Mittelstreckenraketen aufgestellt werden. Eine davon wird auch als Hyperschallwaffe bezeichnet. Unter dem Namen Dark Eagle ist sie derzeit noch in der Entwicklung. Das Gefährliche daran ist, dass die Flugzeit dieser Raketen bis ins Ziel, das dann voraussichtlich Russland wäre, etwa zehn Minuten beträgt. Dadurch sind die Vorwarnzeiten extrem gering und das »Gleichgewicht der Abschreckung« – wer zuerst schießt, stirbt als zweiter – wird gestört. Ein Enthauptungsschlag wird möglich. Innerhalb dieser zehn Minuten besteht überhaupt keine Zeit mehr zu reagieren. Das heißt, diese Raketen könnten alle gegnerischen Kommandozentralen vor jedem Gegenschlag vernichten. Die Furcht vor einer solchen Enthauptung kann im schlimmsten Fall zu einem Präventivschlag führen, weil ein Erstschlag bessere Überlebenschancen zu bieten scheint.
Warum werden diese Raketen gerade in der BRD stationiert, nachdem 27 Millionen Sowjetbürger während des deutschen Faschismus ermordet wurden?
Die aktuelle Konfrontationssituation muss durch Diplomatie entschärft werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Geschichte des Zweiten Weltkriegs – aber auch generell – sollte Russland nicht von hier aus angegriffen werden. Es ist tatsächlich ein Problem, wenn US-Waffen auf deutschem Gebiet stationiert sind, da sie der Kontrolle der US-Armee unterliegen. Wir wissen nicht, unter welchen taktischen oder strategischen Maßgaben sie überhaupt eingesetzt werden sollen.
Welches Mitspracherecht hätte denn die Bundesregierung, wenn die USA die Raketen nutzen möchten?
Keins. Die Kommandozentrale befindet sich auf dem Militärgelände der USA und dort hat die Bundesregierung im Prinzip keine Einblicke, erst recht kein Mitspracherecht.
Wie laufen die Verhandlungen über eine Neuauflage des INF-Vertrages, der von 1988 bis 2019 Mittelstreckenraketen in Europa verboten hatte und von US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit aufgekündigt wurde?
Diese Raketen waren 30 Jahre lang verboten. Mit gutem Grund, eben weil sie so gefährlich sind. Trump hat nun vorsichtig angedeutet, dass er Verhandlungen anstrebt, nicht nur über die Beendigung des Ukraine-Krieges, sondern möglicherweise auch über neue Rüstungskontrollverträge. Das wäre für uns als Friedensbewegte sehr positiv zu bewerten und wir hoffen, dass es dazu kommt. Ich muss allerdings daran erinnern, dass es Trump selber war, der das Verbot gekündigt hatte.
Wie wurde die Stationierung der US-Befehlseinheiten, die seit 2021 in Wiesbaden sind, der Bevölkerung mitgeteilt?
Bei unseren Infoständen in Wiesbaden und Mainz fällt auf, dass viele einfach nicht von der schon erfolgten oder der geplanten Stationierung wissen. Wir beschäftigen uns auch mit der Kommunalpolitik. Zum Beispiel wurde das Thema zwar im Wiesbadener Stadtparlament angesprochen, aber die Parteien haben beschlossen, dass sie sich damit nicht befassen wollen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die deutsche Politik kaum ein Interesse an dem Thema hat. Es muss geprüft werden: Sind die Bedingungen für die Nutzung des Militärgeländes überhaupt erfüllt? Zum Beispiel gibt es in der hessischen Verfassung ein Friedensgebot. Artikel 69 besagt, dass die Vorbereitung eines Krieges auf hessischem Gebiet nicht erlaubt ist. Das ist immerhin die Landesverfassung. Es könnte sein, dass die geplante Stationierung einfach illegal ist.
Sie mobilisieren bundesweit für eine Demonstration am 29. März. Was sind Ihre Forderungen?
Unsere Hauptforderung ist, dass die Stationierung der Mittelstreckenraketen abgewendet werden muss! Wir setzen uns auch für mehr internationale Diplomatie und Zusammenarbeit ein. Ganz aktuell rufen wir außerdem zu Aktionen gegen die Bestrebungen auf, mit der Mehrheit des alten Bundestages noch eine Grundgesetzänderung zu verabschieden, die quasi auf unbegrenzte Aufrüstung hinauslaufen soll. Das sind Grundgesetzänderungen, die vielleicht jahrzehntelang nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Jan Menning ist Gründungsmitglied des Wiesbadener Bündnisses gegen Raketenstationierung
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und das, bevor es zu spät ist. Heutzutage werden Milliarden für Aufrüstung verpulvert und das auch hierzulande, bis hin zu einem sogenannten Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Verteidigung und Infrastruktur, was aber im Grunde genommen nichts anderes ist als neue Staatsschulden für die Kriegsmaschinerie, und
darum ist es umso wichtiger, der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen und dem sinnlosen Wettrüsten die rote Karte zu zeigen, für eine Welt in Frieden ohne Kriege und Zerstörung. Darum heißt es auch in diesem Jahr zu Ostern, raus zu den Ostermärchen und all den Kriegstreibern deutlich gesagt, wir machen bei diesem Wahnsinn nicht mit, denn wir wollen eine Welt in Frieden ohne Kriegstreiberei!
Gerne erinnere ich mich an Lieder wie von Reinhard Mey "Nein, meine Söhne geb ich nicht" oder von den Puhdys "Das Buch!" und das diese nicht an Bedeutung verloren haben!