Ultimatum bei Stadler
Von Niki Uhlmann
Die Kürzungspläne bei Stadler Deutschland sind zum Politikum geworden. An den bedrohten Standorten wird nicht nur über die Zukunft der Beschäftigten entschieden. Verhandelt wird dort auch die Verkehrswende und mit ihr die Zukunft der deutschen Schienenverkehrsindustrie.
Diese Dimension des Arbeitskampfes kam am Montag bei einer Kundgebung auch auf dem Betriebsgelände von Stadler in Berlin-Pankow zur Sprache. Wieder nahm mit 1.500 Zugbauern ein Großteil der Belegschaft teil. Tagelang haben sie zuvor in Diskussionen und Workshops einen Plan zur Produktivkraftsteigerung des Werks entworfen. Diesen haben ihre Gewerkschaft, die IG Metall Berlin (IGM) und ihr Betriebsrat der Geschäftsführung präsentiert. Doch die Chefetage hält am Kürzungskurs fest und verlangt weiterhin einen »signifikanten Arbeitnehmerbeitrag«, wie Standortchef Jörg Nuttelmann es nannte. Weder Teilstandortschließung noch Stellenabbau sind vom Tisch. Darum hat die Belegschaft ein Ultimatum gestellt. Lenken die Bosse bis Dienstag abend nicht ein, wird gestreikt.
»Mindestens sechs Jahre Garantie« forderte Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IGM, auf der kleinen Bühne. Nach dieser Kundgebung werde keine dritte folgen. Wenn die Geschäftsführung auf konstruktive Vorschläge nicht hören wolle, müsse eben gestreikt werden. »Progressive, bis ins kleinste Detail ausdefinierte Lösungen« lägen dank gemeinsamer Anstrengungen aller Abteilungen vor, ergänzte IGM-Sekretärin Eileen Müller. Gegenüber jW führte der Betriebsratsvorsitzende Markus Gierloff aus, welche Baustellen identifiziert worden seien. Probleme bei der Materialbeschaffung, hakelige Abläufe im Änderungswesen, also beim Nachjustieren von Zügen, und die suboptimale Software im Betrieb habe man durchdekliniert. »Und trotzdem mauert die Geschäftsführung noch.«
Das wundert Bettina Haller, die als Betriebsratsvorsitzende bei Siemens Mobility ein Grußwort hielt: »Hier wurde investiert. Hier wurde Personal aufgebaut. Die Auftragsbücher sind voll. Also eigentlich ein Musterarbeitgeber.« Tatsächlich hat Stadler 2019 eine Ausschreibung der BVG über 1.500 U- Bahnen für sich entschieden. Dass nun »Coronaspätfolgen«, die andere bewältigt hätten, als Ursache der Schieflage angegeben und Kürzungen als einzige Lösung ausgegeben würden, sei »absolut unredlich«. Die Medizin müsse zur Krankheit passen und »Managementversagen ist nicht durch Lohnverzicht heilbar«. Die Klimakrise könne ohne Schienenverkehr nicht gelöst werden, vollzog sie den Schwenk zur Politik. Ferner beschäftige die deutsche Bahnindustrie 60.000 Menschen und außerdem zahlreiche Zulieferer. »Moderne, klimafreundliche Mobilität ist eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge«, sagte sie. Ihr Herz blute, wenn – wie in Görlitz – Panzer statt Waggons gebaut würden.
Die kommende Bundesregierung will davon allem Anschein nach nichts wissen. Im ersten Sondierungspapier von CDU und SPD stünde nicht ein einziges Mal das Wort Bahn, kritisierte Pascal Meiser, Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke. Sein Parteikollege Damiano Valgolio münzte die Situation auf Berlin: »Die ganze Stadt wartet darauf, dass ihr die U-Bahnen baut, die wir hier brauchen.« Würde der Standort geschlossen, kämen die Züge nicht, und Berlin müsse »zu Hause sitzen bleiben«. Arbeitsplätze, Verkehrswende und kritische Infrastruktur, das alles hänge an Stadler in Pankow. Und Bettina Jarasch (Bündnis 90/Die Grünen) forderte den Senat auf, die ausgeschriebenen Züge sofort zu bestellen, um bei Stadler Planungssicherheit zu schaffen.
»Wir sind Stadler, nicht die da oben«, rundete ein Mitglied der Tarifkommission bei Stadler die Reden ab. Einen Termin hat er schon vorgemerkt: Am 15. März geht es vom Betriebshof aus zum IGM-Aktionstag nach Leipzig.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- IG Metall27.02.2025
Kürzungskurs bei Stadler Deutschland
- Po-Ming Cheung09.01.2025
Abmahnung nach Demoaufruf
- jW18.06.2024
Der große Jammer
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Schüsse statt Hilfe
vom 11.03.2025 -
»Viele wissen nicht von der Stationierung«
vom 11.03.2025 -
Die Grünen sind gefragt
vom 11.03.2025 -
Rüstungsgeschäft als Goldmine
vom 11.03.2025 -
Ofenfrisches aus der Backstube
vom 11.03.2025 -
»Die BRD schließt sich dem Kreis der Unwilligen an«
vom 11.03.2025