Rüstungsgeschäft als Goldmine
Von Nico Popp
In der Saga um Korruption und Betrug bei der Generalüberholung des Segelschulschiffes »Gorch Fock« ist am Montag ein weiteres Kapitel geschlossen worden: Das im Oktober 2024 gefällte Urteil des Landgerichts Oldenburg gegen einen ehemaligen Vorstand der (inzwischen nicht mehr bestehenden) Elsflether Werft AG ist rechtskräftig. Der 56jährige, der wegen Betrugs und Untreue für vier Jahre hinter Gitter muss, hat die zunächst eingelegte Revision beim Bundesgerichtshof laut Mitteilung des Gerichts zurückgezogen.
An sich ist das bedauerlich, denn der »Gorch Fock«-Komplex dürfte im aktuellen Getöse um immer neue Milliardensummen für den Rüstungshaushalt bald in Vergessenheit geraten. Er verdient aber Aufmerksamkeit, weil dieser Skandalchronik zu entnehmen ist, dass die Herstellung der Kriegstüchtigkeit vor allem ein Vehikel der Geldvermehrung der daran beteiligten Akteure ist – mit so starken Beimischungen von Elementen krimineller Bereicherung, dass gelegentlich auch die deutsche Justiz aktiv wird.
Das Oldenburger Gericht ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Manager zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied gegenüber der Marine als Auftraggeber Preisnachlässe verschwiegen hat, die zwischen der Werft und Subunternehmen vereinbart worden waren, um sodann überhöhte Sammelrechnungen vorzulegen. Dem Urteil zufolge zweigten die Männer außerdem Unternehmensgelder für ein Goldminenprojekt in der Mongolei ab – und zwar in einem solchen Ausmaß, dass das zur Insolvenz der Werft 2019 mindestens beitrug.
Im Februar hatte das Gericht im vorerst letzten »Gorch Fock«-Urteil den Geschäftsführer einer mit der Elsflether Werft verbundenen Gesellschaft zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der Vorwurf lautete auf Untreue in zwölf Fällen, unerlaubtes Betreiben von Bankgeschäften und Beihilfe zur Vorteilsgewährung – letztere zugunsten eines Kostenprüfers des Marinearsenals, und zwar in der stolzen Höhe von 400.000 Euro. Der Kostenprüfer war bereits im Mai 2024 zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden. Der Marine soll unter dem Strich ein Gesamtschaden von 7,2 Millionen Euro entstanden sein.
Allerdings ist die kriminelle Bereicherung nur ein Teil des Gesamtbildes. Ursprünglich waren für die 2015 – nachdem die »Gorch Fock« in Wilhelmshaven gegen eine Pier gebrettert war – eingeleitete Generalüberholung zehn Millionen Euro veranschlagt worden. Schließlich stiegen die Kosten auf etwa 135 Millionen Euro. Eine auch für das Rüstungsgeschäft, wo »unvorhergesehene« Kostenexplosionen selbstverständlich sind, erstaunliche Steigerung – zumal bei einem Schiff, das nicht eben auf dem neuesten Stand von Technik und Schiffsbaukunst ist.
In der Elsflether Werft war Ende 2015 prompt festgestellt worden, dass die hölzernen Masten des Segelschiffes marode waren. 2016 soll sich herausgestellt haben, dass auch das Oberdeck morsch und sämtliche Kabelkanäle erneuerungsbedürftig waren. Das neue Preisschild: 35 Millionen Euro. 2017 wurden dann bereits 75 Millionen Euro aufgerufen; der materielle und finanzielle Aufwand näherte sich rasch dem Volumen eines faktischen Neubaus. Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: »Bis auf den Kiel muss fast alles ersetzt werden.« 2018 wurde aufgrund der Kostenexplosion zunächst ein Baustopp verhängt und dann wieder aufgehoben. Noch im selben Jahr nahm die Staatsanwaltschaft Osnabrück Ermittlungen auf. Inzwischen lag die »Gorch Fock« in der Bremerhavener Bredo-Werft, und die verweigerte eine Zeit lang die Herausgabe, weil sie Geld einforderte, von dem das Verteidigungsministerium versicherte, dass das bereits an die Elsflether Werft überwiesen worden war.
2020 sorgten die inzwischen in Berne fortgesetzten Arbeiten erneut für Schlagzeilen, weil sich herausstellte, dass illegal beschafftes Tropenholz verbaut worden war. Ein von der Umweltschutzorganisation WWF gestellter Antrag auf Baustopp wurde vom Oberverwaltungsgericht Köln abgeschmettert – mit dem Argument, dass schon zu viel von dem Holz verbaut worden sei. Seit 2021 schwimmt die »Gorch Fock« wieder. Ursula von der Leyen ist in Brüssel. Juristisch wird nachgearbeitet: Noch sind nicht alle Verfahren abgeschlossen.
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