Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 12.03.2025, Seite 2 / Inland
Aktionstage gegen Aufrüstung

»Diese Politik bereitet den Krieg vor«

Organisationen der Friedensbewegung mobilisieren für Aktionstage gegen Rüstungskredite und »Sondervermögen«. Ein Gespräch mit Willy van Ooyen
Interview: Gitta Düperthal
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Wenige profitieren, viele sterben: Demonstration gegen Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet Ukraine (Berlin, 3.10.2024)

Der Bundesausschuss Friedensratschlag ruft für die Zeit vom Donnerstag bis zum 18. März zu Aktionstagen auf. Er fordert, dass das Grundgesetz nicht für Hochrüstung und Kriegstüchtigkeit geändert werden soll. Welche Initiativen haben sich dem angeschlossen?

Überall in der Republik gibt es jetzt Kampagnen und Aktionen. Die Friedenskoordination Berlin ruft für elf Uhr am Donnerstag zur Mahnwache vor dem Bundestag auf: »Keine Grundgesetzänderung für Aufrüstung«. Sonnabend, 14 Uhr, geht es vor dem Brandenburger Tor weiter mit der Kundgebung »Reden statt rüsten«. Die Aktionsgemeinschaft namens Dienst für den Frieden in Heidelberg startet ihre Kampagne »Friedensfähig statt erstschlagfähig« gegen die Stationierung der US-Mittelstreckensysteme in Deutschland. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz/Wiesbaden will am Sonnabend das Gelände »Kastel Storage Station« des geplanten Kommandos für die Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper umzingeln. Dort soll es auf dem Paulusplatz nahe Bahnhof Mainz-Kastel um 11 Uhr losgehen.

Sind auch Gewerkschaften mit an Bord?

Friedensaktivistinnen und -aktivisten werden Veranstaltungen der IG Metall für den Erhalt der Arbeitsplätze in Hannover, Stuttgart, Köln, Frankfurt am Main und Leipzig begleiten. Es darf nicht in Kriegsgeräte investiert werden, die auf Zerstörung ausgelegt sind. Auch die Kriegskredite, die jetzt gewährt werden sollen, wollen wir verhindern. Wir demonstrieren vielfältig für eine andere Politik als jene, die jetzt den Krieg vorbereitet.

Es zeichnet sich ab, dass CDU/CSU zusammen mit SPD und den Grünen noch vor dem Amtsantritt der neuen Regierung beschließen, Hunderte Milliarden Euro ins Militär zu pumpen.

Wir finden diese große Einigkeit der vier Parteien problematisch, mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Kriegsvorbereitungen zu investieren. Bis auf die Partei Die Linke teilen alle das Prinzip der Kriegstüchtigkeit.

Könnte nicht auch das weitere geplante Infrastrukturpaket hauptsächlich dazu gedacht sein, um Brücken und Straßen zu ertüchtigen, über die später Panzer gen Osten rollen können?

Es ist auch Gegenstand dieser Debatte, wie die gesamte Gesellschaft zu militarisieren und kriegstüchtig zu machen ist. Den sogenannten Zivilschutz auszubauen, visieren auch die Grünen an, so wie im Grünbuch zur zivil-militärischen Zusammenarbeit, kurz ZMZ, beschrieben.

Sehen Sie historische Parallelen zum hiesigen Zeitgeist?

Das Schüren von Angst gegen den östlichen Nachbarn war schon zweimal erfolgreich, um die Deutschen bereitwillig dazu zu bringen, immenser Aufrüstung zuzustimmen. Es endete in Weltkriegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg existierte eine demilitarisierte, neutrale Bundesrepublik – bevor die CDU die Remilitarisierung durchsetzte. Im Wahlkampf 1953 hieß es auf deren Plakaten »Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau«. Ende der 50er Jahre begann die Debatte ums atomare Rüsten. Auch heute ist das Ziel, unter den »Schirm« der Franzosen zu schlüpfen. Wir wollen uns für eine andere Vision europäischer Politik einsetzen. Sicherheit für alle zu schaffen ist Entspannungspolitik.

Befürworter der Aufrüstung sagen, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei nicht zu reden. Und US-Präsident Donald Trump wolle die Ukraine ausliefern und ökonomisch für sich ausbeuten.

Für die Ukraine ist es essentiell, dass der Krieg aufhört. In Europa müssen wir das Leben – auch in Kooperation mit Russland – so gestalten, dass Krieg kein Mittel mehr sein kann. USA und Russland geben die Richtung Frieden vor. Europa und die BRD sollten solche Initiativen intelligent unterfüttern, um den Krieg zu beenden und zur atomaren Abrüstung drängen. Aber sie tun es nicht, obwohl ein solcher Krieg auch für die Bundesrepublik das Ende bedeuten könnte. Statt eine offene Debatte zu führen, an die Charta von Paris wieder anzuknüpfen, an Abkommen zu atomarer Abrüstung zu arbeiten, wird man repressiv gegenüber Antikriegsaktivisten. So war es bei Demonstrationen gegen den Gazakrieg zu sehen.

Jetzt werden viele Menschen aktiv, weil sie sich durch die Debatten um Wehrpflicht oder Kriegskredite bedroht fühlen. Wir werden uns kontinuierlich für eine friedenspolitische gesellschaftliche Perspektive starkmachen.

Willy van Ooyen ist Kosprecher des ­Bundesausschusses ­Friedensratschlag

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  • Leserbrief von Peter Groß (12. März 2025 um 15:21 Uhr)
    Was wissen wir heutigen Deutsche über einen täglich näher kommenden Krieg, der niemals mehr von Deutschland ausgehen sollte? Eine Anfrage der Grünen nach Suiziden bei der Bundeswehr ist seit Oktober 1985 unbeantwortet (zehnte Wahlperiode, Drucksache 10/4031 – 16.10.1985 - Sachgebiet 5). Sie umfasste beispielsweise den Personenkreis der Wehrdienstleistenden und Berufssoldaten. Wie steht es um die Leidensfähigkeit des deutschen Volkes, wenn etwa das Kontingent aus Litauen in Leichensäcken oder Särgen (das sind 4.000–5.000 Soldaten) zurückkehrt? Das sind Umfänge, wie wir sie nicht einmal zu Coronazeiten kennengelernt haben. Manchmal hört man in wenigen Talksendungen, noch sehr selten, einen Nebensatz, der 150 bis 1.500 Tote deutsche Soldaten (täglich) für möglich hält und von betretenem Totschweigen – nicht nur in den meisten öffentlich-rechtlichen Medien – begleitet wird (hier: »Phoenix-Runde«). Der letzte Wehrbericht erwähnt Suizide und Suizidversuche, die das Amt der Wehrbeauftragten im Berichtsjahr zählte: 29 Selbsttötungen (2023: 15; 2022: 18; 2021: 20, 2020: 11, 2019: 21) und 44 Selbsttötungsversuche (2023: 57; 2022: 64; 2021: 58, 2020: 61, 2019: 52) von Soldatinnen und Soldaten. Es gibt eine tiefe Angst des russischen Volkes vor einer Neuauflage eines faschistischen Überfalls, auch wenn der als deutscher Verteidigungsfall deklariert wird. Nach dem polnischen Vorbild? Für Russen sind deutsche Regierungsparteien Relikte einer antidemokratischen Vorzeit, die mehrheitlich Enkel der alten Täter produziert. Allein die neue Sprache bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die vor »hart« und »Härte« nur so strotzt, scheint eine Leihgabe, die Nazibegriffe »hart wie Kruppstahl« adelt. »Dann, liebe Mutter, werde hart« ist ein NS-Erziehungsratgeber, der Erziehung bis heute prägt. Darüber informiert Elena Weidt in einem »SWR-Wissen«-Beitrag. Zum Schluss: Wo bleiben die Erläuterungen und Mahnungen fachkompetenter Meinungsbildner, beispielsweise von der Partei Die Linke oder der Friedensbewegung?

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