Abeßer, Kühn, Kommerell, Hagen, Rosenberg
Von Jegor Jublimov
Titelblätter in Illustrierten, Starpostkarten, gewählt zum Filmliebling 1961 von den Lesern des Jugendmagazins Neues Leben, Kunstpreis der FDJ und nach Anfängerjahren schließlich die »Emilia Galotti« der Berliner Volksbühne – für die junge Berlinerin Doris Abeßer lief es richtig gut. Mit Konrad Wolfs Film »Professor Mamlock« erntete sie 1961 Lorbeeren in Moskau und Neu-Delhi. Doch als sie eine Hauptrolle in dem kritischen Film »Der Frühling braucht Zeit« spielte, den ihr Mann Günter Stahnke inszeniert hatte und der 1965 in die Mühlen des 11. SED-Plenums geriet, war sie bei den Funktionären nicht mehr gefragt. Sie erfand sich neu, wurde ein Liebling des Musiktheaters, spielte Kleinkunst und übernahm Rollen in Reihen und Serien des DFF. Nach 1990 freute sie sich, dass sie noch dabei war, wenn sie auch bei ihrem Auftritt in »Der letzte Zeuge« (2000) nicht einmal im Abspann stand und ihre letzte Rolle in »SOKO Wismar« 2010 stumm war. Sie zog sich mit 75 zurück, starb mit knapp 81 und wäre am Sonnabend 90 Jahre alt geworden.
»Die Schauspielerin« nach einem Roman von Hedda Zinner war 1984 ein eindringlicher Film über die Judenverfolgung der Nazis mit Corinna Harfouch, André Hennicke und Blanche Kommerell. Inszeniert hatte ihn Siegfried Kühn, der am Freitag bei Calau seinen 90. Geburtstag feiern kann. Der Bergbauingenieur studierte ab 1958 Filmregie in Potsdam-Babelsberg und Moskau. Er inszenierte sowohl Literaturadaptionen als auch Gegenwartsstoffe (seine Eisenbahnersatire »Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow« schrammte 1973 haarscharf an einem Verbot vorbei). In »Don Juan, Karl-Liebknecht-Str. 78« (1980) knüpfte er an seinen ursprünglichen Berufswunsch an, denn er wollte eigentlich Opernregisseur werden, spielte aber kein Instrument.
Ruth und Blanche Kommerell spielten gelegentlich Mutter und Tochter. Ruth hatte Blanche schon als Kind auf die Bühne gelassen, und mit zwölf wurde sie im noch heute oft gesendeten Defa-Märchen zum Inbegriff des Rotkäppchens. Die junge Schauspielerin, deren erfolgreichster Film der oscarnominierte »Jakob der Lügner« war, stand in der DDR vielem kritisch gegenüber. Doch spielte sie in Stoffen von Eberhard Panitz, Jan Koplowitz und mehrfach über Karl Marx markante Rollen. Ab 1990 verlagerte sich ihre Arbeit auf Leseprogramme und Lehrtätigkeit. Nach dem Tod ihres Mannes Alexander Weigel zog sie nach Görlitz, wo sie vermutlich am Montag ihren 75. Geburtstag begangen hat.
In der Mutter-und-Tochter-Komödie »Heiraten/weiblich« des DFF agierten 1975 Eva-Maria und Nina Hagen. Letztere, heute längst als »Godmother of Punk« apostrophiert, wurde von Eva-Maria am 11. März vor 70 Jahren ins Leben gesetzt. In der DDR durfte sie sich »staatlich geprüfte Schlagersängerin« nennen, tingelte mit Reinhard Lakomy, Alfons Wonneberg und der Gruppe Automobil, mit der sie ihren größten Schlager »Du hast den Farbfilm vergessen« herausbrachte. Eine nicht kleine Fangemeinde trauerte ihr nach, als sie zum Jahreswechsel 1976/77 in den Westen ging, um die dortige Punkszene zu bereichern. Ein paar Jahre machte sie Karriere in den USA, ehe sie ab 1986 sowohl musikalisch wie mental die Bundesrepublik aufmischte. Als Anhängerin von Bert Brecht, den ihre Mutter noch kennengelernt hatte, engagierte sie sich mit seinen Songs irgendwo zwischen Grünen und der Linken, ohne dass sie ihre Religiosität über Bord geworfen hätte.
Am selben Tag hat auch Marianne Rosenberg ihren 70. Geburtstag. Ihre Schlagerjahre sind bis heute unvergessen, aber auch sie hat durchaus andere Vorlieben und ließ den Punk an sich herankommen, sang Jazz und Chansons. Für den Herbst hat sie eine neue Tournee angekündigt. Übrigens war ihr 2001 verstorbener Vater Otto Rosenberg, der im Krieg seine ganze Familie in deutschen Konzentrationslagern verlor, Mitglied des Zentralrats deutscher Sinti und Roma. Seiner Tochter hatte er abgeraten, sich zu den Sinti zu bekennen, um Diskriminierungen aus dem Weg zu gehen. Inzwischen steht sie zu ihrer Herkunft.
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