Zukunft ausgelöscht
Von Jakob Reimann
Israel hat »genozidale Handlungen« an den Palästinensern begangen, indem es während des seit anderthalb Jahren wütenden Krieges gegen die Zivilbevölkerung in Gaza systematisch Gesundheitseinrichtungen für Frauen zerstörte und sexualisierte Gewalt als Kriegsstrategie einsetzte. Zu diesem Schluss kommt eine Expertenkommission der UNO in ihrem jüngsten Bericht über schwerste Menschenrechtsverletzungen in Gaza, der am Donnerstag in Genf vorgestellt wurde. Sexuelle Übergriffe würden als Mittel zur Unterdrückung und Kontrolle der palästinensischen Bevölkerung eingesetzt. Israel wies die Vorwürfe als »unbegründet, voreingenommen und wenig glaubwürdig« zurück, heißt es bei Reuters. Die UNO sei laut israelischem Außenministerium ohnehin eine »antisemitische Organisation«.
Israel habe dem Bericht der unabhängigen internationalen Untersuchungskommission der UNO für die besetzten palästinensischen Gebiete zufolge die wichtigste Fruchtbarkeitsklinik in Gaza im Dezember 2023 beschossen und dabei 4.000 Embryonen sowie 1.000 Spermaproben und unbefruchtete Eizellen zerstört. Außerdem habe die israelische Armee die Einfuhr von Medikamenten für Schwangerschaften, Entbindungen und Neugeborenenversorgung in die abgeriegelte Enklave verhindert. Als Folge seien Kinder und Frauen an Komplikationen gestorben, was ein Verbrechen gegen die Menschheit darstelle. »Die israelischen Behörden haben die Fortpflanzungsfähigkeit der Palästinenser im Gazastreifen als Gruppe teilweise zerstört, unter anderem durch Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten«, heißt es in dem Bericht. Dies erfülle Tatbestände des Völkermordes und verletze die Vorgaben des Römischen Statuts und der Völkermordkonvention. Unter anderem sind in dem Bericht Fälle von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung dokumentiert. Ebenso seien Frauen gezwungen worden, sich öffentlich zu entkleiden.
»Man kann sich der Schlussfolgerung nicht entziehen, dass Israel sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Palästinenser angewendet hat, um sie zu terrorisieren und um ein System der Unterdrückung aufrechtzuerhalten, das ihr Recht auf Selbstbestimmung untergräbt«, teilte Navi Pillay, Vorsitzende der Kommission, mit. Die Reaktion der extrem rechten Netanjahu-Regierung hingegen war so grotesk wie vorhersehbar: »Dies ist einer der schlimmsten Fälle von Blutverleumdung, die die Welt je gesehen hat (und die Welt hat viele gesehen)«, schrieb das israelische Außenministerium völlig enthemmt auf X. Der UN-Bericht sei »ein krankes Dokument, das nur eine antisemitische Organisation wie die UNO produzieren konnte«, heißt es da weiter. Blutverleumdung, auch als Ritualmordlegende bekannt, bezeichnet die jahrhundertealte antisemitische Verschwörungserzählung, nach der fälschlicherweise behauptet wird, Juden würden christliche Kinder entführen und töten, um ihr Blut für religiöse Rituale, insbesondere zu Pessach, zu verwenden. Die fundiert belegten Vorwürfe der UN-Experten mit einer mittelalterlichen Hassgeschichte über Kinderblut trinkende Juden gleichzusetzen entleert den Begriff des Antisemitismus jeder Bedeutung.
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