Moskaus Bedingungen
Von Reinhard Lauterbach
Wenn sich bewahrheitet, was seit Mittwoch diverse US-Agenturen melden, dann wird Russland in den bevorstehenden Verhandlungen über eine Beendigung des Ukraine-Krieges eine Doppelstrategie verfolgen. Nicht offen nein sagen, aber durch entsprechende Bedingungen die Verantwortung für ein im Moment eher wahrscheinliches Scheitern der Gespräche wieder nach Kiew – und in zweiter Linie in die USA – zurückspielen. An einigen hätte die Ukraine schwer zu kauen.
Zum Beispiel an der von der Agentur Bloomberg kolportierten Idee, eine Waffenruhe davon abhängig zu machen, dass die USA ihre Waffenlieferungen an Kiew entweder ganz oder wenigstens für die Dauer der Feuerpause einstellen. Das würde im Idealfall sicherstellen, dass die Ukraine das Ziel, die Kampfpause für die Auffüllung ihrer Vorräte an Waffen und Munition zu nutzen, nicht so einfach erreichen kann. Und dass damit der Vorteil, den Russland gegenwärtig auf dem Gefechtsfeld genießt, nicht durch neue US-Lieferungen relativiert wird. Russland selbst wird sich die Auffüllung seiner eigenen Arsenale auf eigenem Territorium eher nicht verbieten lassen, und das hat bisher auch niemand gefordert. Was zeigt, dass die politische Absicht der Waffenruhe ist, der Ukraine genau diese Atempause zu verschaffen.
An seinen politischen Forderungen an Kiew – Verzicht auf NATO-Zugehörigkeit, keine ausländischen Truppen auf ukrainischem Boden und »Entnazifizierung«, also ein prorussischer Regimewechsel – wird Russland wohl erst einmal verbal festhalten, ohne sicher sein zu können, dass es damit durchdringt. Das könnte Russland aber kurzfristig egal sein, denn ohne Waffenlieferungen aus den USA wird die ukrainische Armee wohl nach ihrer Niederlage im Kursker Gebiet nicht so schnell wieder angriffsfähig werden. Neu hinzugekommen ist die russische Forderung nach einer Pufferzone entlang der Frontlinie, um neue Angriffe wie den auf Kursk zu erschweren – das würde auf die faktische Entmilitarisierung der grenznahen Bezirke Sumi und Charkiw hinauslaufen.
Entscheidend dürfte aber sein, ob die USA das akzeptieren würden. Wären sie bereit, angesichts ihres unter Donald Trump deutlich gewordenen Desinteresses an der Ukraine – abgesehen von ihren Bodenschätzen – im Interesse eines »Deals« die eine oder andere dieser Bedingungen zu akzeptieren? Oder schwenkt Trump doch wieder auf die Linie seines Vorgängers ein und unterstützt die Ukraine »whatever it takes«? Das weiß im Moment niemand außer Trump selbst.
Die sich geopolitisch aufplusternde EU kommt in der jetzigen Diskussion überhaupt nicht mehr vor – außer in Form des Ausschlusses irgendwelcher ausländischer »Friedenstruppen« durch Russland. Damit geht Moskau noch über frühere Forderungen hinaus. Es will erkennbar freies Schussfeld für alle Fälle, ohne sich gleich dem Risiko eines offenen Konflikts mit NATO-Staaten auszusetzen.
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