Postheroische Saubande

Alle reden von beschleunigten Rüstungsvorhaben ohne Rücksicht auf selbstgewählte Finanzdogmen wie die »Schuldenbremse«. Dabei ist dies das Geringste, wenn man Deutschland »kriegstüchtig« machen will. Darauf wies am Dienstag in der FAZ der emeritierte Althistoriker Egon Flaig hin. Was einen Althistoriker zur Beantwortung dieser Frage qualifiziert? Mehr, als man denkt. Schließlich kommt aus der römischen Antike der berüchtigte Satz »Dulce et decorum est pro patria mori« – süß und ehrenvoll sei es, für das Vaterland zu sterben. Mehr brauche der Soldat eigentlich nicht, obwohl er ja Soldat heißt, weil er Sold bezieht. Sein eigentlicher Lohn sei jedoch ein ideeller, schreibt Flaig: »Wer für eine politische Gemeinschaft das Leben zu opfern bereit ist, darf und soll vor allem ein immaterielles Äquivalent beanspruchen (…). Das einzige geeignete Äquivalent ist das ehrende Gedenken für die Gefallenen, die ehrende Anerkennung der Veteranen und die Achtung vor der beschworenen Todesbereitschaft.«
Abweichend davon dürfe man in Deutschland mit dem dreimal erteilten Segen des Bundesverfassungsgerichts Soldaten Mörder nennen, obwohl dieser Satz von Kurt Tucholsky doch »dies alles negiert« und »der kriegerische Opfermut knapp (wird), wenn ein pazifistisches Klima die wertemäßige Verbundenheit mit dem Gemeinwesen auslaugt und die politische Zugehörigkeit entwertet«. Was aber ist sie denn wert, diese politische Zugehörigkeit? Das kann ein Apologet des Heldentodes wie Egon Flaig natürlich nicht benennen und will es auch gar nicht, wenn er das »ehrende Gedenken« zum höchsten Lohn des zum Soldaten mutierten Staatsbürgers erklärt. Das Leben sei der Güter höchstes nicht, zitiert er statt dessen Schiller. Wenigstens originell zu sein beansprucht er nicht. Man dürfe eigentlich auch gar nicht so fragen – obwohl er es ja selbst gerade getan hat: Denn das sei das eigentliche Erzübel der »postheroischen Gesellschaft«, dass sie das Verhältnis von Bürger und Staat nicht mehr existentiell fasse, sondern die allem vorausgesetzte »Gemeinschaft« in die transaktionell geprägte »Gesellschaft« transformiert habe. Ein Bürger, der allen Ernstes vom Staat Gegenleistungen fordere – ergänzt sei hier: egal, wie realistisch diese Forderung bei Lichte besehen ist –, der sei für die Anforderung verloren, sein Leben für »die Gemeinschaft« aufs Spiel zu setzen. Flaig kritisiert in diesem Zusammenhang, dass in Kiew nach wie vor Kneipen, Diskotheken und Fitnessstudios offen seien, in denen Männer, die an die Front gehörten, ihre Zeit verplemperten. So werde das nichts mit dem ukrainischen Endsieg, paraphrasiert Flaig einen gewissen Joseph G., der 1943 mit ziemlich denselben Argumenten den »totalen Krieg« propagierte und vom zivilen Zugverkehr bis zu den Restaurants alles schließen ließ, was nicht unmittelbar dem Militär diente. Werte, so Flaig, »existieren in dem Maße, wie Menschen gewillt sind, für sie Opfer zu bringen; kostenlose Werte sind wertlos«. Diesen Satz sollte man sich immerhin merken, wenn die nächste Annalena Baerbock uns von »wertegeleiteter Außenpolitik« erzählt. Der Sarg steht immer hinter dem Vorhang.
Aber die Kriegshysterie hat auch ihre humoristischen Seiten. Am Mittwoch interviewte die FAZ den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn. Der zeichnete ein Schreckensszenario: Entweder lerne die Gesellschaft, sich zu verteidigen, oder sie könne gleich Russisch lernen. Klar, was Spahn vorzieht: Eine indoeuropäische Sprache zu lernen, übersteigt offenbar seine geistigen Fähigkeiten. Hilft aber nichts, denn wie in der FAZ vom Freitag Nikolas Busse bemerkt: »Darin besteht die größte Gefahr für die Sicherheit in Europa: dass Trump in seiner Sehnsucht nach einem ›Deal‹ Putin so weit entgegenkommt, dass mehr unter die Räder kommt als nur die Ukraine.« Und dann, Jens Spahn, hilft alles nichts mehr: dawajtje utschitsja.
Werte, schreibt Flaig, »existieren in dem Maße, wie Menschen gewillt sind, für sie Opfer zu bringen; kostenlose Werte sind wertlos«. Diesen Satz sollte man sich immerhin merken, wenn die nächste Annalena Baerbock uns von »wertegeleiteter Außenpolitik« erzählt.
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