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Aus: Ausgabe vom 20.03.2025, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

»Scharlatan« Netanjahu am Pranger

Israel: Großkundgebung gegen Gazakrieg und geplante Entlassung von Geheimdienstchef
Von Knut Mellenthin
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Bis jetzt hat die israelische Ultrarechtsregierung es geschafft, Protest ins Leere laufen zu lassen oder zu unterdrücken (Tel Aviv, 15.3.2025)

In Israel werden die Proteste gegen Premierminister Benjamin Netanjahu und die von ihm geführte Koalition aus Rechten und Ultrarechten stärker. Auslöser sind die Wiederaufnahme des Bombenkriegs gegen die Bevölkerung des Gazastreifens und die Absicht der Regierung, den Chef des Inlandsnachrichtendienstes Schin Bet, Ronen Bar, zu entlassen. In Erwartung einer entsprechenden Entscheidung des Kabinetts versammelten sich am Mittwoch vormittag mehrere tausend Demonstranten in der Umgebung des Parlamentsgebäudes in Jerusalem. Weitere Aktionen sollten im Tagesverlauf stattfinden. Einige Organisationen haben zu mehrtägigen Protesten in der Hauptstadt aufgerufen. Über soziale Netzwerke werden private Schlafplätze für die Teilnehmer aus anderen Teilen des Landes gesucht.

Zuvor hatte am Dienstag abend in Tel Aviv der seit Monaten größte Protest gegen die Regierung stattgefunden. Nach Angaben der Veranstalter waren 40.000 Menschen zur Kundgebung auf dem Habima-Platz gekommen, an die sich eine Demonstration zum Hauptquartier der Armee anschloss. Als Redner traten neben Angehörigen der noch im Gazastreifen festgehaltenen Gefangenen unter anderem mehrere frühere Chefs verschiedener Sicherheitskräfte auf. Tamir Pardo, der von 2010 bis 2015 den Auslandsnachrichtendienst Mossad geleitet hatte, nannte Netanjahu in seiner Ansprache einen »Feigling, Scharlatan und Lügner«. Direkt an den Premierminister gerichtet, sagte er: »Sie stellen eine eindeutige und gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Nation dar.« Joram Cohen, Direktor des Schin Bet in den Jahren 2011 bis 2016, erklärte, »die wirkliche existentielle Bedrohung« seien nicht Hamas und Hisbollah, »sondern diejenigen, die Israels demokratischen Charakter verändern wollen«.

Durch den Bruch des Waffenstillstands hat Netanjahu die formalen Voraussetzungen für die Rückkehr der ultrarechten Partei Otzma Jehudit (Jüdische Stärke) in die Regierung geschaffen. Sie hatte die Koalition am 19. Januar als Ausdruck ihrer Ablehnung des mit der Hamas vereinbarten Gefangenenaustauschs verlassen, den sie als »Kapitulation« verurteilte. Am Dienstag gaben Netanjahus Likud-Partei und Otzma Jehudit in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt, dass Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und zwei weitere ultrarechte Kabinettsmitglieder ihre früheren Posten wieder einnehmen.

Mit diesem Schritt scheint sichergestellt, dass die Regierung eine ausreichende Mehrheit in der Knesset für die Verabschiedung des Haushalts hat. Falls dieser nicht bis zum 31. März beschlossen wird, wäre das Parlament automatisch aufgelöst, und es müssten Neuwahlen stattfinden. In diesem Fall würde die von Netanjahu geführte Koalition einschließlich der Otzma Jehudit die notwendige Mehrheit, mindestens 61 der 120 Knesset-Abgeordneten, voraussichtlich nicht erreichen. Andererseits wäre allen Umfragen zufolge Naftali Bennett der einzige Oppositionspolitiker, der eine regierungsfähige Mehrheit hinter sich bringen könnte. Bennett war Premierminister zwischen Juni 2021 und Juni 2022. Nach dem Zerbrechen der von ihm geführten Koalition erklärte er seinen »Rückzug aus der Politik«. Bennetts Biographie weist ihn als ständig rechts vom Likud stehend aus. Hoffnungsträger für eine weniger kriegerische und expansive Strategie des zionistischen Staates ist er nicht. Seine Differenzen zu Netanjahu sind ausschließlich innenpolitischer oder taktischer Art. Das gleiche gilt mehr oder weniger für die gesamte Opposition.

Die israelische Regierung hatte die USA vor der einseitigen Beendigung der Waffenruhe über die beabsichtigte Wiederaufnahme des Krieges informiert. Das Wall Street Journal und andere US-Medien berichteten am Dienstag, Präsident Donald Trump habe »grünes Licht« für die Bombenangriffe gegeben. Der Rest der Welt reagierte mit Kritik und Warnungen. Sogar die EU rief Israel zur Beendigung seiner Militäraktionen auf.

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