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Aus: Ausgabe vom 20.03.2025, Seite 6 / Ausland
Schweiz

Test für Nationalisten

Schweiz: SVP unterliegt bei Neuwahl von Minister und setzt auf Plebiszit
Von Dominic Iten
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Angeblich ein kühler Stratege, aber auch NATO- und EU-nah: Der neue Schweizer Verteidigungsminister Pfister (Bern, 12.3.2025)

Ein »besonnener Stratege« habe in der Schweiz das Amt des Verteidigungsministers übernommen. Das schrieb am Dienstag die Zuger Zeitung. Doch vor der Neubesetzung des Postens hatte sich eine gewisse Gleichgültigkeit breitgemacht: Pfister oder Ritter, Martin oder Markus – die Namen zum Verwechseln ähnlich, beide auch optisch kaum auseinanderzuhalten und auf den ersten Blick dasselbe politische Profil: Stabilität, Sicherheit, Kompromiss – typische Vertreter der Mitte eben.

Falsch: Markus Ritter steht als Präsident des Schweizer Bauernverbands für den konservativen Flügel dieser »Mitte«. Er befürwortet den Bau neuer Atomkraftwerke, stellt sich gegen die Einführung eines dritten Geschlechts, plädiert für die bewaffnete Neutralität und übt Zurückhaltung bei internationaler militärischer Zusammenarbeit. Insbesondere seine außenpolitischen Standpunkte machten ihn zum Wunschkandidaten der nationalistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Gewählt wurde aber Martin Pfister, der die Neutralität »flexibel« ausgestalten und damit die Linie seiner Vorgängerin Viola Amherd fortführen will. Unmittelbar nach seiner Einsetzung vergangenen Donnerstag meinte der Politiker der Partei »Die Mitte«, die NATO verändere sich, »wir wissen nicht, in welche Richtung«. Die reibungslose Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten sei entscheidend, »wenn uns die Sicherheit wichtig ist«.

Damit ist der Plan der SVP gescheitert, die EU- und NATO-freundliche Amherd (ebenfalls »Die Mitte«) durch Ritter zu ersetzen. Unter dem Eindruck der »Zeitenwende« hatte die Regierung nicht nur das Budget der Armee beträchtlich erhöht (um vier Milliarden auf 29,8 Milliarden Franken) – Amherd hatte die Schweiz außerdem enger mit dem imperialen westlichen Block verschränkt: Übernahme der Sanktionen gegen Russland, Beschaffung des NATO-Kampfjets F-35, Beitritt zur hauptsächlich gegen Russland gerichteten »Skyshield«-Initiative oder die Teilnahme am EU-Militarisierungsprojekt Pesco.

Trotz dieser großen Schritte beklagte Amherd im Zuge ihres Rücktritts, dass sich ihr im Bundesrat seit Jahren ein bürgerlich-konservativer Block unter der Führung der SVP in den Weg gestellt habe. Und auch wenn Amherd das nicht recht zugeben mochte: Mit der anhaltenden Kritik an Amherds Kurs hat die SVP letztlich ihren Rücktritt bewirkt.

Damit dürfte die SVP vorerst die »regierungskritische Regierungspartei« bleiben, zu der sie sich zuletzt entwickelt hat. Doch sie darf sich trösten: Immerhin war Pfisters Wahl auch eine Entscheidung für die Rüstungsindustrie, die auch die SVP stärken will. Wie die Financial Times am Wochenende berichtete, hatte Anfang März Stefan Holenstein, Präsident des Verbands der Militärischen Gesellschaften Schweiz, Pfister und Ritter zu einer Anhörung mit Vertretern des Militärs und der Rüstungsindustrie nach Bern eingeladen. Die Schweiz stehe zwar für Neutralität, sagte Holenstein, aber »für uns und auch für Martin« bedeute das weder Isolation noch »Nichtzusammenarbeit mit der europäischen Sicherheitsarchitektur«. Wichtig seien außerdem die Erhöhung des Armeebudgets und die Stärkung der Schweizer Waffenindustrie.

Ihr Ziel, die »integrale« Neutralität durchzusetzen, verfolgt die SVP derweil auf dem Wege, auf dem sie bisher ihre größten Erfolge vorzuweisen hatte: über die Volksinitiative. Die entsprechende »Neutralitätsinitiative« kommt voraussichtlich 2026 vors Stimmvolk und soll die »bewaffnete, immerwährende und umfassende Neutralität« in der Verfassung verankern. Der Bundesrat lehnt einen solchen Schritt ab, da er seinen außenpolitischen Spielraum einschränken würde.

Prognosen sind schwierig. Laut einer Umfrage von 2024 stimmten 91 Prozent der Befragten für eine Beibehaltung der Neutralität – nach dem Rückhalt für die »Neutralitätsinitiative« wurde aber bisher nicht gefragt. Außerdem hat die Mobilisierungskraft der SVP abgenommen. Gerade in ihrem Kernbereich, der Migrationsfrage, hat sie mit ihren jüngsten Volksinitiativen nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen können. Mit ihrer Positionierung zur Neutralität versucht die SVP zu alter Stärke zurückzufinden – die entsprechende Initiative wird für sie zum Lackmustest.

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