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Aus: Ausgabe vom 21.03.2025, Seite 6 / Ausland
Spanien

Spanien verteilt Geflüchtete

Regierung in Madrid will minderjährige Migranten auf Festland verteilen
Von Frederic Schnatterer
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Überfahrt überlebt: Jugendliche und Rettungshelfer auf den Kanarischen Inseln (Arguineguín, 29.1.2025)

Nach Monaten des Stillstands kommt Bewegung ins Spiel. Am Dienstag abend hat die spanische Regierung eine Neuregelung zur Verteilung von rund 4.400 unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten auf die 19 autonomen Gemeinschaften des Landes beschlossen. Per »königlichem Gesetzesdekret« wird das Ausländerrecht entsprechend geändert – ein Vorhaben, das noch vor acht Jahren im Parlament gescheitert war. Vorausgegangen war eine Übereinkunft der Minderheitsregierung aus sozialdemokratischem PSOE und Linksbündnis Sumar mit der katalanischen Unabhängigkeitspartei Junts, die dem Dekret nun im Parlament zustimmen möchte.

Vor allem die Kanarischen Inseln fordern seit Monaten eine »solidarische Verteilung« der Minderjährigen. Auf dem Archipel vor der Westküste Afrikas befinden sich derzeit fast 6.000 Kinder und Jugendliche in Aufnahmezentren – nirgendwo sonst in Spanien sind es so viele. Von dort sollen im Laufe dieses Jahres rund 4.000 nach Festlandspanien verlegt werden. Aus der nordafrikanischen Exklave Ceuta ist die Verlegung von rund 400 Minderjährigen geplant.

Begründet wird das Dekret mit einem »Notstand«, in dem sich die Gemeinschaft der Kanaren und die autonome Stadt Ceuta befänden. Die Kanarischen Inseln, die von der konservativen Regionalpartei Coalición Canarias und dem postfranquistischen PP regiert werden, hatten erst Ende Februar einen bereits zuvor ausgerufenen Notstand verlängert. Damals erklärte Regionalregierungssprecher Alfonso Cabello, die Zentren zur Aufnahme der minderjährigen Geflüchteten seien mit den 5.860 Kindern und Jugendlichen zu 123 Prozent ausgelastet. Zuletzt bescheinigte eine Untersuchung von Amnesty International, dass der Schutzmechanismus »gescheitert« sei.

In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl Minderjähriger, die auf die Kanaren geflohen waren, stetig an – so wie die der Geflüchteten insgesamt. Die Route vom afrikanischen Festland auf die Kanarischen Inseln wird von immer mehr Menschen in Anspruch genommen, die in die EU wollen. 2024 waren es so viele wie nie zuvor: Fast 47.000 Personen erreichten das Archipel nach einer gefährlichen Bootsfahrt über den Atlantik. Fast 10.000 Flüchtende verloren auf der Route laut Hilfsorganisation »Caminando Fronteras« im selben Zeitraum ihr Leben.

Der Chef der kanarischen Regierung, Fernando Clavijo, zeigte sich am Dienstag zufrieden über die Entscheidung und erklärte, es handle sich um einen »sehr wichtigen Tag für die Kanarischen Inseln und Spanien«. Auch die Regierung von Ceuta, die vom PP gestellt wird, begrüßte das Abkommen. Die Autonomiegemeinschaften Festlandspaniens hingegen, in denen die Postfranquisten regieren, lehnen die Übereinkunft ab. Auch wenn die Zahlen noch nicht genau feststehen, zeichnet sich nämlich ab, dass nach der neuen Regelung gerade die von den Rechten regierten Landesteile die Kinder und Jugendlichen aufnehmen müssen. So spricht El País davon, dass in Madrid 806, in Andalusien 795 und in Valencia 478 minderjährige Geflüchtete unterkommen sollen. Ein Konflikt innerhalb des PP ist also absehbar.

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