Adieu, Frankophonie!
Von Bernard Schmid, Paris
Der Bruch mit Frankreich wird immer tiefer. Am Montag und Dienstag dieser Woche gaben erst die Republik Niger, dann auch Burkina Faso und Mali ihren Austritt aus der »Internationalen Organisation der Frankophonie« (OIF) bekannt. Bei ihr handelt es sich um einen 1970 just in Nigers Hauptstadt Niamey gegründeten internationalen Verband mit Hauptsitz in Paris, dem zuletzt neunzig Staaten angehörten.
Vorrangiges Ziel der OIF ist die Förderung und Pflege der französischen Sprache. Sie wird in einigen Mitgliedsländern aus historischen oder geographischen Gründen gesprochen wie in Belgien und der Schweiz, in anderen wie der kanadischen Provinz Québec aufgrund einer mehrere Jahrhunderte zurückliegenden Kolonisierung. In einem Gutteil der Fälle jedoch hängt die Zugehörigkeit zur französischen Sprachgemeinschaft mit der jüngeren Kolonialgeschichte zusammen wie in einem Dutzend afrikanischer Staaten sowie den drei Ländern der früheren französischen Kolonie Indochina, den OIF-Mitgliedern Vietnam, Laos und Kambodscha.
Die OIF organisiert etwa Lehreraustausch und kulturelle Programme, wogegen zunächst wenig einzuwenden ist – der antikoloniale algerische Schriftsteller Kateb Yacine (1929–1989) sagte einmal zu der Frage, warum er weiterhin auf französisch schrieb, diese Sprache sei »unsere Kriegsbeute«. Erlaubte sie dem unabhängigen Algerien doch einen Austausch mit weiten Teilen des subsaharischen Afrikas. Aber selbstverständlich wird über die OIF auch Politik gemacht, zuvörderst im staatlichen Interesse Frankreichs als faktisches Oberhaupt eines zum Teil auf postkolonialen Bindungen beruhenden Staatenklubs.
Auch andere Länder verbinden mit der Frankophonie strategische Ambitionen. So wurden in den vergangenen fünfzehn Jahren unter anderem Bosnien und Herzegowina, Montenegro, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar Mitglieder der OIF, ohne dass die französische Sprache auf ihrem jeweiligen Territorium historisch verwurzelt wäre.
Die drei Länder Mali, Burkina Faso und Niger, in denen Militärputsche in den vergangenen Jahren die früheren oligarchischen Regierungen entmachteten, woraufhin innenpolitische Übergangsperioden ausgerufen wurden, haben am 16. September 2023 gemeinsam eine neue Regionalorganisation geschaffen: die »Allianz der Staaten des Sahel« (französische Abkürzung AES). Die Mitgliedschaft der drei Länder bei der Frankophonie war bereits ausgesetzt worden. Offiziell, weil die vorgesehenen Fristen zur Wiedereinsetzung einer Zivilregierung zu lang seien oder nicht eingehalten würden.
An den Vorwürfen ist richtig, dass die regierenden Militärs sich durchaus darauf vorbereiten, für längere Zeit an der Macht zu bleiben – in Mali etwa dürfte der aus der Armee kommende Übergangspräsident Assimi Goïta im Anschluss an die »Transition« selbst für das höchste Staatsamt kandidieren. Allerdings trifft ähnliches auch auf das westlich angrenzende Guinea zu, wo das Militär im September 2021 gegen den früheren Staatschef Alpha Condé putschte. Doch wurde Guineas Mitgliedschaft im September 2024 reaktiviert. Übergangspräsident Mamadi Doumbouya behielt internationale Beziehungen nach mehreren Seiten aufrecht, vor allem auch zu den USA, während Paris den drei AES-Staaten vorwirft, sich strategisch stärker der Russischen Föderation zugewandt zu haben.
Im Namen einer Wiedererlangung der Souveränität suchten diese nun selbst den Bruch mit der OIF. Unterdessen könnte die AES in näherer Zukunft eventuell um weitere Länder erweitert werden. Kandidaten dafür sind potentiell das südlich angrenzende Togo sowie der östliche Nachbar Tschad. Der togolesische Außenminister Robert Dussey bekundete zuletzt am 15. März sein Beitrittsinteresse. Beide Regierungen, in Lomé und N’Djamena, konnte man bislang als »profranzösische« und mit dem Pariser Neokolonialismus eng liierte Diktaturen charakterisieren. Auch sie versuchen jedoch, sich parallel zum Niedergang des französischen staatlichen Einflusses im Sahel im Eigeninteresse neu zu orientieren.
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