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Aus: Ausgabe vom 27.03.2025, Seite 7 / Ausland
Kampf um Ressourcen

Doppelspiel am Kongo

Angolas Staatschef gibt Vermittlerrolle im Konflikt zwischen Kinshasa und Kigali auf. Taktischer Rückzug der »M 23«
Von Bernard Schmid
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Kritik wurde ihm wahrscheinlich zum Verhängnis: Beerdigung des Musikers Idengo am Dienstag

Ein Präsident wirft das Handtuch: Angolas Staatschef João Lourenço, der seit zwei Monaten auch als Kommissionspräsident der Afrikanischen Union (AU) amtiert, hat am Montag bekanntgegeben, seine Rolle als Vermittler zwischen der Regierung der Demokratischen Republik (DR) Kongo und der Miliz »M 23« – und faktisch auch der diese militärisch unterstützenden Regierung des Nachbarstaats Ruanda – aufzugeben. Er werde sich auf die wesentlichen Aufgaben der AU in Sachen Friedenssicherung und Infrastruktur auf dem Kontinent konzentrieren, verkündete Lourenço dazu.

Die beiden Regionalorganisationen Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) und Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) kündigten daraufhin am Dienstag an, eine neue Vermittlungsgruppe für den gewalttätigen Konflikt im Ostkongo einrichten zu wollen. Am 18. März hatten sich ferner die beiden Präsidenten der DR Kongo und Ruandas, Félix Tshisekedi und Paul Kagame, überraschend in Katars Hauptstadt Doha direkt getroffen und Friedensbemühungen angekündigt.

Vor Ort an der Front zwischen den kongolesischen Regierungstruppen und denen der »M 23«, die seit Januar immer mehr Gebiet eingenommen haben – und in diesem nun auch, wie eine legitime Staatsmacht auftretend, die Schulprüfungen zu organisieren beginnen –, ist die Lage unterdessen unklar. Am Sonnabend hatten die »M 23« und ihr ziviles Aushängeschild, die »Allianz des Kongostroms« (AFC), einen Rückzug aus der Stadt Walikale angekündigt. Diese liegt relativ weit westlich der zu Anfang des Jahres von der »M 23« eingenommenen Provinzhauptstädte Goma und Bukavu und öffnet bereits den Weg in die zentralkongolesische Stadt Kisangani, die die fünftgrößte des Landes ist – aber ihr Binnenhafen ist nach dem der Hauptstadt Kinshasa der zweitgrößte am Kongofluss.

Dass die »M 23« sich aus Walikale zurückziehen will, begründete ihre Führung mit Bemühungen um eine Beruhigung des Konflikts, könnte aufgrund der Lage der Stadt aber auch eine Frontbegradigung darstellen. Zu Wochenbeginn waren allerdings nicht alle »M 23«-Einheiten von dort abgezogen. Unterdessen sagte der Chef der ugandischen Armee, Muhoozi Kainerugaba, am Sonntag voraus, innerhalb von einer Woche würden entweder die »M 23« oder Uganda die Stadt Kisangani einnehmen. Die ugandischen Truppen sind seit Jahren im Ostkongo präsent, wo sie mit Einwilligung der Zentralregierung in Kinshasa eine Rebellion – nicht der »M 23«, sondern der dschihadistisch inspirierten »Allierten demokratischen Kräfte« (ADF) – bekämpfen, jedoch ein doppeltes Spiel betreiben. Neben Ruanda versucht auch Uganda, die Rohstoffreichtümer im östlichen Kongo für sich zu nutzen.

In Paris polarisiert unterdessen die Frage des möglichen Verbots eines »Solidaritätskonzerts« am 7. April die Gemüter. Es sollte einige prominente Künstler, darunter die Rapper Gims, Youssoupha und Gazo, vereinigen, um für die DR Kongo zu singen. Eines der Probleme dabei liegt darin, dass der 7. April auch der Jahrestag des Beginns des Völkermords in Ruanda ist, bei dem von April bis Juli 1994 zwischen 800.000 und einer Million Tutsi und Oppositionelle vom damaligen »Hutu Power«-Regime in Kigali und seinen Milizen getötet wurden. Alljährlich finden dazu Gedenkveranstaltungen statt, an denen nicht nur Ruander, sondern auch französische Linke und Nichtregierungsorganisationen wie »Ärzte der Welt« (MDM) beteiligt sind.

Ein Teil der kongolesischen Nationalisten schmälert oder leugnet die Realität des Völkermords von 1994 in Ruanda jedoch, der einen der Auslöser – nicht den einzigen – für die anhaltende politische und militärische Destabilisierung der Region bildete. Dies geschieht aus dem Willen heraus, die tatsächlich kriminelle Rolle der ruandischen Regierung im Ostkongo in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren anzuprangern, was dieses Vorgehen jedoch nicht legitimiert. Am Dienstag nun kündigte die Pariser Stadtregierung unter Verweis auf Hassbekundungen unter Kongolesen und Ruandern in sozialen Netzwerken an, das Konzert, das in der Olympiahalle »Adidas-Arena« stattfinden sollte, verbieten zu wollen.

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