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Aus: Ausgabe vom 28.03.2025, Seite 2 / Ausland
Ukraine-Krieg

EU-Hilfe für Kiew reduziert

»Koalition der Willigen« in Paris: »Friedenstruppen« kein Thema mehr
Von Arnold Schölzel
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Außer Rhetorik und einem Trostpflaster hatten Macron und Starmer Selenskij wenig zu bieten (Paris, 27.3.2025)

Rund 30 Staats- und Regierungschefs aus EU und NATO berieten am Donnerstag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij in Paris über weitere militärische Unterstützung für Kiew. Es war der dritte Gipfel der von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer ins Leben gerufenen »Koalition der Willigen«. Sie sollte u. a. die von Macron im Februar 2024 angekündigte »Friedenstruppe« aufstellen. Von der war jedoch keine Rede mehr. Laut Macron, der vor dem Treffen mit US-Präsident Donald Trump telefoniert hat, ist die Frage »noch in der Planungsphase«. Eine französisch-britische Mission werde demnächst in Kiew einen EU-Einsatz im Fall einer Waffenruhe vorbereiten und betonte: »Diese ›forces de réassurance‹ (etwa: Rückversicherungstruppen) sind keine friedenserhaltenden Truppen, sie werden nicht an der Front eingesetzt.« Über die Entsendung von EU-Soldaten bestehe »keine Einstimmigkeit«. Sein Trost für Selenskij belief sich auf zwei Milliarden Euro neuer französischer Militärhilfe.

Die Runde verkündete, sie wolle die Sanktionen gegen Russland beibehalten und verschärfen. Sie aufzuheben wäre »ein schwerer Fehler«, erklärte zum Beispiel Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). EU und USA müssten gemeinsam klarmachen, dass »wir diese Möglichkeit der Unterstützung der Ukraine auch weiter nutzen können«. Zu den Gesprächen der USA mit Russland und der Ukraine erklärte er: Moskau habe »immer noch was nachgeschoben«. Das zeige, »dass Russland aktuell nicht an einem wirklichen Frieden interessiert ist«. Eine Debatte über die mögliche Entsendung von Bundeswehrsoldaten als Teil von EU-Bodentruppen halte er für verfrüht. Es sei noch »nicht mal sicher, ob es solche geben wird (…) und welcher Art sie sind«. Es sei »ganz zentral, dass es amerikanische Sicherheitsgarantien gibt«. Aber die EU-Europäer seien »geschlossen und geeint«. Da hatte Macron noch nicht das Gegenteil gesagt.

Starmer begleitete den Verzicht auf eine EU-Truppe mit verschärfter Rhetorik. Putin, erklärte er in Paris, spiele nur »Spielchen«. Am Sonntag hatte der Telegraph berichtet, in britischen Militärkreisen werde die Idee einer EU-Truppe als »politisches Theater« bezeichnet, Starmer und Macron hätten sich »übernommen«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (28. März 2025 um 12:59 Uhr)
    Starmer spielt nur Starmchen. Er wäre gerne in der ersten Reihe. Derzeit muss er bezeugen, was alles gegen Asien = Russländische Föderation = VR China = Indien = Afrika = Lateinamerika = den gesamten Rest vom Wertewesten reinpasst. Ob es ihm gelingt, die Nordhalbkugel als Wertemacht des Planeten neu zu erschaffen? Also meiner Meinung nach, und Keir is ja auch nich vordergründig dumm: Vielleicht is das okay. Es wäre mir neu, wenn wir belogen werden. Vor allem von einem Präsidenten der USA. Auch die Verbündeten würden sich das niemals trauen!
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. März 2025 um 22:35 Uhr)
    Provinzielle Machtdemonstration ohne Substanz: Frankreich und Großbritannien inszenieren sich weiterhin als weltpolitische Schwergewichte, doch die Realität spricht eine andere Sprache. Beide Länder kämpfen mit finanziellen Schwierigkeiten, stagnierendem Wirtschaftswachstum und tiefgreifenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Ihre militärische Schlagkraft ist trotz nuklearer Bewaffnung begrenzt, und ihre internationale Einflussnahme wird zunehmend zur symbolischen Geste ohne greifbare Ergebnisse. Die von Macron und Starmer forcierte »Koalition der Willigen« wirkt in diesem Kontext eher wie politisches Theater als eine ernstzunehmende strategische Initiative. Statt echter Lösungsansätze dominiert eine Rhetorik der Härte, die weder die russische Position verändert noch der Ukraine substanziell hilft. Die selbst ernannte Führungsrolle von Paris und London wirkt vor diesem Hintergrund wie der verzweifelte Versuch, geopolitische Bedeutung zu simulieren. Doch Macht beruht nicht allein auf Worten – sie erfordert wirtschaftliche Stabilität, militärische Stärke und diplomatische Geschicklichkeit. All das scheint in den beiden ehemaligen Großmächten zunehmend Mangelware zu sein. Wer die Flasche leer hat, sollte nicht so tun, als könne er noch einschenken.

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