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Aus: Ausgabe vom 28.03.2025, Seite 4 / Inland
CDU/CSU

Transparenz? Nein, danke

Koalitionsverhandlungen: Union will Informationsfreiheitsgesetz abschaffen. Die SPD schweigt
Von Karim Natour
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Parlament abgeschirmt: Die Union will Christo und Jeanne-Claude zurück (Berlin, 22.6.1995)

Wo gehobelt wird, da fallen eben Späne. So auch bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen. Im Zuge der Gespräche zwischen SPD und Union über eine mögliche neue Bundesregierung könnte das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz (IFG) jetzt für eine Koalition geopfert werden. Das geht aus einem Verhandlungspapier aus den Koalitionsverhandlungen zu »Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz« hervor. Das »Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen«, so die Union in dem Papier, das die Rechercheplattform fragdenstaat.de am Donnerstag veröffentlichte. Das Gesetz existiert seit 2006 und gewährt Bürgern den Zugang zu amtlichen Informationen und Dokumenten. Vor allem Journalisten verwenden es im Zuge investigativer Recherchen. Über die Plattform fragdenstaat.de wurden laut eigenen Angaben seit Einführung des IFG fast 300.000 Anfragen gestellt. Auch das Umweltinformationsgesetz will die Union laut dem Papier »verschlanken«.

Brisant ist nicht nur, dass die Union das IFG abschaffen will. Verhandlungsführer der Union in der Arbeitsgruppe ist ausgerechnet der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, dem das Gesetz in der Vergangenheit bereits zum Verhängnis geworden ist. Amthor war ab Mai 2019 für das IT-Unternehmen Augustus Intelligence tätig. 2018 – vor seiner Tätigkeit – hatte der Politiker das Briefpapier des Bundestags verwendet, um beim Wirtschaftsministerium für das Unternehmen zu werben. Fragdenstaat.de veröffentlichte damals mit Hilfe des IFG das Schreiben. Später beendete Amthor seine Nebentätigkeit für das Unternehmen und bezeichnete seine Tätigkeit dort als »Fehler«.

Scharfe Kritik an der Forderung der Union kam unter anderem vom Deutschen Journalisten-Verband DJV. »Wer die Transparenz einschränken möchte, hat offensichtlich etwas zu verbergen und gefährdet damit den Journalismus und die Demokratie zugunsten von Machterhalt und undurchsichtigen Machenschaften«, so der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster am Mittwoch abend. Auch fragdenstaat.de äußerte sich empört. Chefredakteur Arne Semsrott erklärte, »Öffentliche Kontrolle und Transparenz sind der Union offenbar ein Dorn im Auge.« CDU/CSU wollten »unbehelligt durchregieren. Demokratische Rechte der Öffentlichkeit stören dabei offenbar nur.« Dass die Union die Abschaffung des IFG als Maßnahme zur »Stärkung der repräsentativen Demokratie« bezeichne, sei »geradezu lächerlich«, so Semsrott. Kritik kam auch vom Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. »Durch Transparenz entsteht Vertrauen in staatliches Handeln«, so von Notz am Donnerstag gegenüber AFP. Er verwies unter anderem darauf, dass sich die Bundesregierung im Rahmen der Open Government Partnership (OGP) dazu verpflichtet habe, bestehende Transparenzgesetze auszubauen.

Durch das Gesetz wurden bereits mehrere Skandale aufgedeckt, darunter die Fördermittelaffäre im Bildungsministerium. Ob die Sozialdemokraten für eine Abschaffung des IFG zu gewinnen sind, ist offen. Die Ampelregierung wollte das IFG mit umfassenden Veröffentlichungspflichten weiterentwickeln, scheiterte jedoch am Veto des SPD-geführten Innenministeriums. Die Unterhändler von Union und SPD konnten sich in der Arbeitsgruppe bisher nicht einigen. Nun sollen sich die Vorstände der beteiligten Parteien verständigen. Ein Sprecher der SPD erklärte dazu am Donnerstag auf jW-Anfrage, über die laufenden Koalitionsgespräche sei Vertraulichkeit zwischen den Parteien vereinbart worden. Generell gelte für die Verhandlungen: »Es ist nichts geeint, bevor nicht alles geeint ist.«

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (28. März 2025 um 09:24 Uhr)
    Wann wollte jemals ein Herrscher »Transparenz«? – Und es scheint sogar vieles noch schlimmer zu kommen: Nach dem innenpolitischen Schock und der außenpolitischen Blamage à la Baerbock jetzt auch noch dieser Polit-Harry-Potter Philipp Amthor. Womit hat dieses Land das eigentlich alles verdient? Bleibt uns denn wirklich keine Grausamkeit erspart?