Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 28.03.2025, Seite 2 / Inland
BDS-Klage

»Wir sind mit langem Atem angetreten«

BDS-Bewegung: Juristischer Weg als Gegenangriff auf unterdrückerische Verhältnisse. Ein Gespräch mit Christoph Glanz
Interview: Yaro Allisat
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BDS orientiert sich an der südafrikanischen Antiapartheidbewegung (Leipzig, 26.3.2025)

Sie haben 2020 Klage gegen die BDS-Resolution des Bundestages erhoben, zunächst vor dem Verwaltungsgericht Berlin, dann vor dem Oberverwaltungsgericht. Am Mittwoch hat nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erklärt, dass die Verwaltungsgerichte für den Fall gar nicht zuständig sind. Was folgt daraus?

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil anlässlich unserer Klage Rechtsgeschichte geschrieben. Es hat klargestellt, dass Resolutionen des Bundestages direkt auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden können. Das heißt, dass sie nicht zuerst den verwaltungsrechtlichen Weg gehen müssen. Das Urteil macht unseren Weg zum Bundesverfassungsgericht frei. Der war uns als BDS-Aktivisten bisher verwehrt gewesen. Das ist eine schlechte Nachricht für die von uns verklagte BRD und eine gute Nachricht für unsere Initiative und alle, die erkannt haben, dass die vermeintlichen harmlosen »Meinungsäußerungen des Parlaments« für krasse politische Repressionen genutzt werden. Unser finales Ziel ist natürlich die Nichtigmachung der BDS-Resolution, die seit 2019 die Repression palästinasolidarischer Aktivisten legitimiert.

Wie wird es jetzt also für Sie weitergehen?

Unsere Mitaktivisten fielen gestern noch im Gerichtsgebäude in den Sprechchor »Karlsruhe!« ein, denn da geht es nun weiter. Wie unsere französischen BDS-Kollegen streben wir aber letztlich eine Verurteilung der BRD vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.

Nach fünf Jahren ist also immer noch kein Ende des Prozesses in Sicht. Was bedeutet das für propalästinensische Aktivisten wie Sie?

Die junge Welt hatte am Donnerstag »Im Schneckentempo« getitelt. Da ist etwas dran. Aber wir wussten um die Langfristigkeit und sind mit einem langen Atem angetreten. Man könnte auch argumentieren, dass wir »früh dran« sind, denn gegen die neuesten Bundestagsresolutionen, wie die vom Januar 2025 gegen die Freiheit an Schulen und Universitäten, müssen wir jetzt nicht bei null anfangen! Das haben wir nämlich vor fünf Jahren bereits getan. Wir brauchen als Internationalisten und Linke einen längerfristigen und strategischen Blick im Kampf um das gute Leben für alle. Unser Prozess bildet ein Puzzleteil in diesem Kampf und macht den Weg frei für mehr BDS-Aktivismus, mehr Palästina-Solidarität und mehr Raum für andere solidarische Bewegungen.

Wie Verfassungsgerichte nun urteilen werden, steht noch in den Sternen. Auch Ihnen ist klar, dass ein positives Urteil natürlich nicht bedeuten würde, dass der Kampf gewonnen ist. Warum gehen Sie denn überhaupt den Rechtsweg?

Was wir erkämpfen wollen, habe ich ja schon benannt. Und die Erfolgschancen stehen da gut. Wir verstehen diesen juristischen Weg trotz der damit einhergehenden Einschränkungen als einen Gegenangriff auf Verhältnisse, die uns unterdrücken und damit als einen Weg aus der Passivität. Gleichzeitig nutzen wir unsere Plattform konsequent für Aufklärungsarbeit.

Wie nutzen Sie die Plattform für Aufklärungsarbeit?

Wir nutzen die Öffentlichkeit, die wir durch den Prozess haben, um über den israelischen Siedlerkolonialismus in all seinen Formen aufzuklären. Wir sind Zeugen eines live übertragenen Genozids gegen die Menschen in Gaza. Israel zerstört und mordet gleichzeitig auch in der Westbank. Israel bombardiert zahlreiche Nachbarländer und besetzt neue Gebiete in Syrien. Gleichzeitig kann uns die Beschäftigung mit Palästina auch enorm viel Aufklärung über den Staat verschaffen, in dem wir leben. Wir sollten aufhören, davon überrascht zu sein, dass die BRD, also der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches, das die Völkermorde an den Herero und Nama, an den Juden, an den Sinti und Roma zu verantworten hat, nach außen hin Israels Verbrechen unterstützt und nach innen immer repressiver auftritt. Dass genau dieser Staat sich dann auch noch als »Gedenkweltmeister« und Moralpolizist aufspielt, ist ein Hohn! Wer könnte dem besser Paroli bieten als eine palästinensisch-jüdisch-deutsche Initiative wie wir als BT3P?

Christoph Glanz bildet zusammen mit Judith Bernstein und Amir Ali die »Bundestag 3 für Palästina« (BT3P) und ist in der BDS-Bewegung aktiv. BDS steht für »Boykott, Desinvestment, Sanktionen«

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