Leergang Bauturbo
Von Oliver Rast
Für vieles gibt es Arbeitsgruppen, Kreise von Experten, die Themen abarbeiten, Diskussions- und Beschlussvorlagen fertigen. So auch bei den stattfindenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD. Etwa in der Arbeitsgruppe 4: »Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen«. Nur, das bisherige Verhandlungsergebnis überzeugt nicht, jedenfalls nicht den Deutschen Mieterbund (DMB). Unzureichend, verbesserungswürdig sei jenes, so der DMB am Mittwoch in einer Stellungnahme.
Was fehlt? DMB-Präsident Lukas Siebenkotten weiß es: »Trotz einiger guter Vorschläge fehlt es den bisherigen Verhandlungsergebnissen an Durchschlagskraft und an einem Plan, wie Mieterinnen und Mieter vor immer weiteren Mieterhöhungen geschützt werden können.« Während die Union eine Verschärfung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen ablehne, spreche sich die SPD für eine deutliche Verschärfung und eine sogenannte Länderöffnungsklausel aus. »Wir setzen darauf, dass die Steuerungsgruppe der Verhandlungsparteien sich noch auf einen Mietenstopp, mindestens aber auf eine Länderöffnungsklausel einigt, damit die Bundesländer mit besonders angespannten Wohnungsmärkten entsprechend reagieren können«, erklärte Siebenkotten.
Im »schwarz-roten« Sondierungspapier hatten die Koalitionäre in spe bereits angekündigt, dass die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten zunächst für zwei Jahre verlängert werden soll. Neu ist, dass eine Expertengruppe aus Mieter- und Vermieterorganisationen bis zum 31. Dezember 2026 eine Reform zur Präzisierung der Mietwuchervorschrift im Wirtschaftsstrafgesetzbuch und eine Bußgeldbewehrung bei Nichteinhaltung der Mietpreisbremse vorbereiten soll. Zudem sollen in angespannten Wohnungsmärkten künftig Indexmieten, möblierte Wohnungen und Kurzzeitvermietungen stärker reguliert werden.
Was indes auffällt: Im Verhandlungspapier werden keine Zielzahlen genannt, etwa zum jährlichen Wohnungsneubau, berichtete der Tagesspiegel (Mittwochausgabe), dem das Schriftstück vorliegt. Wohl mit Bedacht. Denn die Ampelregierung war zuvor am Neubauziel von 400.000 schlüsselfertigen Wohneinheiten pro Jahr krachend gescheitert. Doch wolle »Schwarz-Rot« dem Bericht zufolge in den ersten 100 Tagen der Koalition einen Gesetzentwurf für einen »Wohnungsbauturbo« vorlegen. Dafür soll das Baugesetzbuch »reformiert« werden – eine Idee, die die Ampel schon geplant hatte. Ein »Turbo« wofür genau? Für eine befristete Zeit sollen in Städten und Ballungszentren mit hohem Bedarf an neuen Mietwohnungen Bauvorhaben rascher geplant und umgesetzt werden können. »Damit könnten schnell Baulücken genutzt, Dächer bebaut oder brachliegende Flächen in Wohnraum umgewandelt werden«, heißt es im Tagesspiegel. Als ersten Schritt. Und in einem zweiten wollen Union und SPD »eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens vornehmen«, so das Handelsblatt am Mittwoch online.
Caren Lay (Die Linke) reicht das alles nicht. Die Koalitionsverhandlerinnen und -verhandler hätten in ihrem Ergebnispapier »kleine Schrittchen in Richtung mehr Mieterschutz angedeutet«, kritisierte die Mieten- und Wohnungsexpertin ihrer Bundestagsfraktion am Mittwoch auf ihrem X-Account. Was am Ende davon tatsächlich umgesetzt werde, bleibe mit Blick auf die vergangene Legislaturperiode abzuwarten. Lay: »Um Mieterinnen und Mieter wirklich zu schützen, braucht es einen sofortigen Mietenstopp und einen bundesweiten Mietendeckel.« Unter dem Strich sei das Verhandlungsergebnis »kein großer Wurf«. Zumal Aussagen zu einem gemeinnützigen Wohnungssektor gänzlich fehlten.
Kritik kommt gleichfalls von Bündnis 90/Die Grünen. Deren baupolitischer Sprecher Kassem Taher Saleh hält gegenüber dem Tagesspiegel (Mittwochausgabe) eine nur kurzzeitige Verlängerung der Mietpreisbremse für völlig unzureichend. »Wir fordern eine dauerhafte Absicherung für Mieterinnen und Mieter, statt befristeter Beruhigungspillen.« Auch beim sogenannten Bauturbo hat er Zweifel: »Wenn dabei vor allem teurer Neubau und Eigentumsförderung im Fokus stehen, verfehlt die Regierung den eigentlichen Bedarf – bezahlbarer Wohnraum für alle«, betonte Taher Saleh.
Nun, die koalitionären Arbeitsgrüppler für »Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen« haben den Kritikern zufolge eines: nachzusitzen, nachzubessern, nachzureichen.
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