DB zerschlägt sich selbst
Von Ralf Wurzbacher
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn (DB), Richard Lutz, hat im Vorjahr 2,1 Millionen Euro … »verdient«. Bei einem erwirtschafteten Minus von 1,8 Milliarden Euro ist das ein üppiger Ansporn für »Schlimmer geht’s immer«. 2024 hat der »Staatskonzern« das fünfte Mal in Serie rote Zahlen geschrieben, und ebenso lange geht es bergab in puncto Pünktlichkeit. Alles Chefsache? Nein, findet Lutz. Für ihn liegen die Fehler anderswo, wie er am Donnerstag bei der Vorlage der Geschäftsbilanz erklärte: streikende Lokführer, die schwache Konjunktur und natürlich das marode Schienennetz. Schon 15 Jahre lang gehört der 60jährige zur DB-Führungsriege, seit 2017 im Spitzenamt. Wer wollte ihm da eine Mitschuld am Verfall geben?
Der Zustand der Bahn und ihres Personals nötigt geradewegs zum Zynismus. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Union und SPD die Geduld mit Lutz verlieren und als wahrscheinlich kommende Koalitionäre eine Neubesetzung des Vorstands anstreben, im Sinne »schlanker Strukturen« und »mehr Fachkompetenz«. Das war kein Anfall von Selbstironie. Die »Kernkompetenz« aller Regierungen seit der sogenannten Bahnreform 1994 bestand stets darin, Autos und Straßen zu pushen und bei der Bahn zu pfuschen. Lutz’ Beitrag zum Kaputtkurs war fraglos gehörig, und eigentlich wären ihm die Vorgesetzten zu Dank verpflichtet. Allerdings hat sich der Zeitgeist gewandelt und die Ansage lautet plötzlich: Wir machen die Bahn wieder heil – damit Panzer und Kanonen auch bei Regen, Schnee und Hitze zur Front gelangen.
Aber vielleicht hat der DB-Boss den Bogen einfach nur überspannt mit seiner Forderung, vom avisierten 500-Milliarden-Euro-Schuldenpaket für Infrastruktur 148 Milliarden Euro für die Bahn zu reklamieren. Mit so viel Geld ließe sich dann wohl doch zu viel reparieren, mithin sogar zum Wohle der Passagiere. Beim Fernverkehr, dem »Flaggschiff« der Bahn, gab es 2024 im Vorjahresvergleich sieben Millionen weniger, sprich nur noch 133 Millionen Reisende. Ferner wurden über 330.000 Bahncards weniger verkauft, Folge der Zwangsdigitalisierung des Angebots. Wohlgemerkt ist das die Bilanz nach bloß einer von 41 geplanten »Generalsanierungen«, jener der »Riedbahn« zwischen Mannheim (Rhein) und Frankfurt (Main). Dabei werden die Strecken über Monate voll gesperrt, während man vergleichbare Bauprojekte in anderen Ländern »unter rollendem Rad« erledigt. Ab August wird die Verbindung Hamburg–Berlin stillgelegt, bis einschließlich April 2026. Benedikt Weibel, ehemaliger Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), nennt die Gangart ein »Abgewöhnungsprogramm für Bahnkunden«.
Derweil geht die Entwöhnung von der Frachtsparte DB Cargo zügig voran. Die Bahn-Tochter hat einmal mehr Verluste auf ganzer Linie eingefahren: beim Ertrag, beim Umsatz, bei der beförderten Gütermenge. Den versprochenen »Turnaround« hat die verordnete Schrumpfkur durch Streichung von 5.000 Jobs bisher nicht gebracht. Am Standort Halle (Saale) ist der Kahlschlag schon im Gange, 270 Eisenbahner wurden vor die Tür gesetzt. »Aber die Notwendigkeit wird gesehen, dass wir das machen«, ließ sich Cargo-Chefin Sigrid Nikutta am Donnerstag vom MDR zitieren. »Das verstehen die Kolleginnen und Kollegen.« Bestimmt! Schließlich wird die Zeit knapp: Cargo darf auf Geheiß der EU-Kommission nicht länger durch die Holding »quersubventioniert« werden und soll bis Ende 2026 »rentabel« sein. Das ist zwar utopisch, aber immerhin Anreiz, »effektiver« zu werden, also zu geringeren Kosten noch weniger Güter auf der Schiene zu transportieren. Stimmt zumindest die Marschrichtung, lässt sich der Laden in zwei Jahren teurer verkaufen.
Wie es heißt, planen Union und SPD die »Entflechtung« – und nun doch nicht die »Zerschlagung« – der Bahn. Die zerschlägt sich derweil wie von selbst. Der Verkauf ihres einzigen echten Gewinnbringers, der Speditionstochter Schenker, steht kurz vorm Abschluss. Bleibt bald nur noch das leidige Geschäft mit dem Personenverkehr und den ganzen Störfaktoren. Bis zur Wochenmitte hieß es, Dachsbauten im Bahndamm hätten den Betrieb zwischen Winden und Landau in der Pfalz lahmgelegt. »Irrtum«, hielt zwischenzeitlich der Kreisjagdmeister von Landau fest: Karnickelhöhlen! Buchstäblicher Turnaround dank Eilmeldung via »SWR Aktuell«: Am Ende war es wohl doch Familie Grimbart. Wie auch immer. Bis Ostern rollt’s wohl wieder. Vielleicht.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Christel H. aus Aschersleben (30. März 2025 um 14:03 Uhr)Super Artikel! Ein Anekdötchen aus dem Alltag der Bahn: Am vergangenen Freitag hatte ich den abwegigen Gedanken, von Aschersleben aus zur Buchmesse zu fahren. Gedacht, getan. Die Fahrt war der Horror. Da die Strecke Aschersleben–Halle (Saale) Hbf zur Zeit voll gesperrt ist, wurde mir digital vorgegeben, über Dessau zu fahren. Der Bahnsteig in Dessau war voller Reisender, und der Zug, der uns transportieren sollte, war ebenfalls schon voll. Nun, ich denke, von Dessau sind noch alle Leute mitgekommen, das galt allerdings nicht für diejenigen mit Reiseplänen, die auf den folgenden Bahnhöfen zwischen Dessau und Leipzig Messe noch standen. Die Rückfahrt – diesmal über Halle – war nicht angenehmer. Wieder Stehen in einem vollen Zug und ab Halle dann Schienenersatzverkehr nach Aschersleben. Der Bus fuhr express zu seinem Zielort, und mir taten die Mitreisenden leid, die ja vielleicht auf einem Unterwegsbahnhof aussteigen wollten. Noch ein Nostalgiegedanke: Zu DDR-Zeiten wurden bei Messen und anderen Gelegenheiten Sonderzüge eingesetzt.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (29. März 2025 um 12:13 Uhr)Bald wird die DB nur noch eine Richtung kennen: gen Osten. Dann wird es wieder heißen: »Räder rollen für den Sieg!« Und dann werden auch wieder satte Gewinne eingefahren werden, so wie damals im »Tausendjährigen Reich«, das dann jedoch bereits nach zwölf Jahren sein jähes und für die Reichsbahn viel zu frühes Ende fand. Mag sich Geschichte auch grundsätzlich nicht wiederholen, »Erfolgsgeschichten« jedoch zuweilen schon.
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