Zionisten verprellen Diaspora
Von Knut Mellenthin
Horacio Cartes ist mit seinem Imperium aus Lebensmittel-, Tabak- und Getränkefirmen, Banken und Handelsunternehmen einer der reichsten Männer Paraguays. Von 2013 bis 2018 war er Staatspräsident des Landes. Am Donnerstag war er Gast und Redner bei der von der israelischen Regierung veranstalteten »Internationalen Konferenz zur Bekämpfung des Antisemitismus« in Jerusalem. Daran ist an sich nichts Auffälliges. Auch die Tatsache, dass ihn das US-Finanzministerium im Januar 2023 wegen Korruption, Abgeordnetenbestechung und Stimmenkauf, »die die demokratischen Institutionen in Paraguay untergraben«, mit Sanktionen belegte, ist vielleicht nicht außergewöhnlich. Aber Cartes gilt darüber hinaus als Helfer der libanesischen Hisbollah, wie die Jerusalem Post am 24. Juli 2024 beklagte. Im Gegenzug habe er Bestechungsgelder bei Privatveranstaltungen der Hisbollah in Paraguay einsammeln lassen. Der Vorwurf ist grundsätzlich nicht unplausibel, denn im Grenzbereich von Paraguay, Argentinien und Brasilien leben viele reiche Menschen libanesischer Abstammung.
Unter den ausländischen Gästen der Konferenz in Jerusalem war Cartes sicher die schillerndste Persönlichkeit. Für größere Aufregung in der Diaspora, den jüdischen Gemeinden und Gemeinschaften außerhalb Israels, sorgten aber die als Redner eingeladenen Repräsentanten extrem rechter, rassistischer Parteien aus Frankreich, Spanien, Ungarn, den Niederlanden und Schweden. Die Hauptverantwortung für die Gestaltung der Konferenz und die Einladungspraxis lag beim Minister für die Diaspora und die Bekämpfung des Antisemitismus, Amichai Chikli vom Rechtsaußenflügel des Likud. Als sein Plan deutlich wurde, die Partnerschaft zwischen der israelischen Regierung und Teilen der sogenannten Rechtspopulisten offen zur Schau zu stellen, setzte eine Welle von Absagen ein.
Darunter waren auch Personen, die während der Konferenz als Redner oder Diskussionsteilnehmer auftreten sollten. Zu diesen gehörten der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy und der Direktor der US-amerikanischen Anti-Defamation League, Jonathan Greenblatt. In Großbritannien zogen sich Oberrabbiner Ephraim Mirvis und der Regierungsberater zum Thema Antisemitismus, John Mann, zurück. In der BRD waren es der »Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus«, Felix Klein, und der Grünen-Politiker Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Es war nicht das erste Mal, dass der bewusst aggressiv und polarisierend auftretende Chikli mit Teilen der etablierten Diaspora aneinandergeriet. Ende Januar hatte die israelische Regierung einen geplanten Auftritt des Ministers im EU-Parlament »wegen Sicherheitsbedenken« abgesagt. Im Vorfeld hatten, wie die Jüdische Allgemeine am 28. Januar berichtete, »Angehörige der Geiseln im Gazastreifen und führende Mitglieder Dutzender jüdischer Gemeinden in Europa« die Abgeordneten gebeten, die Einladung an Chikli »zu überdenken«. Grund: Der Minister hatte den zwischen der israelischen Regierung und der Hamas vereinbarten Gefangenenaustausch abgelehnt.
Chikli sucht, das bestätigt die Konferenz in Jerusalem, die öffentliche Konfrontation mit der jüdischen Diaspora ebenso wie mit widerspenstigen Teilen der israelischen Gesellschaft. Mit Unterstützung von Premierminister Benjamin Netanjahu will er die Anerkennung seiner Strategie des Schulterschlusses mit einem Teil der extremen europäischen Rechten durchsetzen. Jüdische Menschen, die sich dieser Politik bewusst entziehen und entgegenstellen, werden schnell als »antiisraelische Kräfte« angeprangert. In seiner Konferenzrede griff Chikli namentlich die linksliberale israelische Tageszeitung Haaretz als angebliche Drahtzieherin der zahlreichen Absagen an und warf ihr vor, »Lügen« über die eingeladenen rechten Parteien zu verbreiten.
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