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Aus: Ausgabe vom 29.03.2025, Seite 7 / Ausland
Frankreich

»Pakt der Korruption«

Frankreich: Staatsanwaltschaft fordert sieben Jahre Haft für ehemaligen Staatschef Sarkozy
Von Hansgeorg Hermann
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Sarkozy soll seinen Wahlkampf 2007 mit Geldern von Ghaddafi finanziert haben (Paris, 27.3.2025)

Nicolas Sarkozy stehen wohl harte Jahre bevor. Die Pariser Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass sich der frühere französische Staatschef im Jahr 2007 seine Präsidentschaftskampagne zu großen Teilen vom damaligen libyschen Staatsoberhaupt Muammar Al-Ghaddafi finanzieren ließ. Am Donnerstag forderten die drei Ankläger des Parquet national financier (PNF, Finanzstaatsanwaltschaft) sieben Jahre Haft für Sarkozy, dazu eine Geldstrafe in Höhe von 300.000 Euro wegen »Korruption, illegaler Finanzierung einer Wahlkampagne und Veruntreuung öffentlicher Gelder«. Sarkozys Verteidiger, die ihren Klienten als Opfer von Verleumdung und von orchestrierter politischer Rache durch Ghaddafis Nachkommen darstellen, sollen am 8. April zu Wort kommen. Ein Urteil ist nach Angaben der Justiz nicht vor September zu erwarten.

In seiner Anklage verlangte der PNF am Donnerstag einen klaren Schuldspruch gegen Sarkozy. Der rechte Politiker sei zweifellos »Anführer« eines »Pakts der Korruption« gewesen. »Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit« hätten der ehemalige Präsident und seine Helfer »auf dem Altar der Macht geopfert«. Den Angeklagten schilderten sie als einen von »Machthunger und Ambitionen zerfressenen« Politiker, der, um Präsident Frankreichs zu werden, selbst auf die finanzielle Unterstützung des im Westen damals als »politischer Paria« verschrienen Ghaddafi nicht verzichten mochte. Nach dem durch Sarkozys Krieg herbeigeführten Fall der Ghaddafi-Familie und der Ermordung ihres Oberhaupts 2011 wurden erste Details bekannt. Muammars Sohn Saif Al-Ghaddafi nannte eine Summe von 50 Millionen Euro, die danach das Nachrichtenportal Mediapart, unter Berufung auf eine Notiz des libyschen Geheimdiensts, bestätigte. Viel Geld in jedem Fall, dessen Weg aus der libyschen Staatskasse nach Paris – daher der Anklagepunkt »Veruntreuung öffentlicher Finanzen« – die Ermittler in ihrem Dossier akribisch nachgewiesen haben.

Eine Gegenleistung Sarkozys sei der pompöse Empfang von Ghaddafi in Paris nur sieben Monate nach seiner Wahl gewesen. Dieser sollte die Position des Libyers in der internationalen Politik wieder aufwerten und ihn von seinem Ruf als mörderischer Diktator befreien. Als geheime Gesprächspartner und Vermittler des streng vertraulichen Geschäfts hatte Sarkozy nach Ansicht der Ermittler unter anderem seine Vertrauten Brice Hortefeux und Claude Guéant in den nordafrikanischen Staat geschickt. Beide waren zeitweise Innenminister in Sarkozys Kabinett. Für Hortefeux, einen Jugendfreund Sarkozys aus dessen politischen Anfängen im Pariser Nobelvorort Neuilly, forderte die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft und 150.000 Euro Geldstrafe, für Guéant sechs Jahre Haft und 100.000 Euro. Éric Woerth, auch er ehemals Minister und Schatzmeister in Sarkozys damaliger Partei UMP, droht ein Jahr Haft und 3.750 Euro Geldstrafe. Wie die Staatsanwälte betonten, »seien nur Gefängnis und schwere Geldstrafen« geeignete »Maßnahmen, um die Gesellschaft (vor politischen Straftätern, jW) zu schützen«.

Sollte das Gericht den Strafanträgen des PNF auch nur in abgemilderter Form folgen, dann hätte sich die halbe Regierung aus Sarkozys Präsidentschaftszeit als eine Ansammlung politischer Krimineller herausgestellt. Nicht nur der frühere Staatschef ist bereits Straftäter – er wurde im vergangenen Dezember in einem anderen Prozess wegen Korruption verurteilt und trägt seit Februar eine elektronische Fußfessel. Auch sein ehemaliger Regierungschef François Fillon, in Frankreich bekannt geworden als der Politiker, der nicht einmal seine Hosen selbst bezahlte, wurde 2022 wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und der Bezahlung fiktiver Beschäftigter aus der Staatskasse zu vier Jahren Haft, drei davon auf Bewährung, und einer Geldstrafe von 375.000 Euro verurteilt.

Justizexperten gingen am Donnerstag abend davon aus, dass das Gericht in seinem Urteil den Forderungen der Staatsanwaltschaft folgen dürfte: Auch, weil Sarkozy als bereits in anderer Sache Verurteilter nicht mehr den »Kredit« eines unbescholtenen Staatsbürgers beanspruchen könne.

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