Rafah vor dem Ende
Von Ina Sembdner
Seine Worte werden wieder im Nichts verhallen: Es schmerze ihn, erneut über das »katastrophale Leiden der Menschen in Gaza« berichten zu müssen, erklärte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk am Donnerstag in New York. Der UN-Sicherheitsrat hatte eine Dringlichkeitssitzung zur Eskalation in den von Israel besetzten Gebieten einberufen, wo Türk feststellte, dass »die vorübergehende Erleichterung der Waffenruhe, die den Palästinensern einen Moment zum Durchatmen verschaffte, zunichte gemacht wurde«. Er berichtete, dass seit dem 1. März mehr als 1.200 Palästinenser bei Angriffen Israels im Gazastreifen laut Gesundheitsbehörden getötet wurden – darunter mindestens 320 Kinder.
Bis dahin hatte eine, wenn auch fragile, Waffenruhe Bestand, die von israelischer Seite aufgekündigt wurde, um vorgeblich den Druck auf die Hamas zu erhöhen, die verbliebenen Geiseln ohne weitere Verhandlungen freizulassen. Seither schafft Israels Militär täglich neue Fakten am Boden der palästinensischen Enklave, in der seit einem Monat zwei Millionen Menschen ohne jede Hilfslieferung darben. »Die Blockade und die Belagerung des Gazastreifens kommen einer kollektiven Bestrafung gleich und können auch auf den Einsatz von Hunger als Kriegsmethode hinauslaufen«, warnte Türk. Der UN-Chef für Menschenrechte zeigte sich auch beunruhigt über die hetzerische Rhetorik hochrangiger israelischer Offizieller im Zusammenhang mit der Beschlagnahmung, Annexion und Aufteilung von Gebieten sowie der Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen, wie UN News dokumentierte. »Dies gibt Anlass zu ernster Besorgnis über die Begehung internationaler Verbrechen und widerspricht dem grundlegenden Prinzip des Völkerrechts gegen die gewaltsame Aneignung von Gebieten«, sagte Türk.
Ungeachtet dessen wirbt auch der israelische Premier Benjamin Netanjahu nunmehr offenkundig für den Vertreibungsplan der US-Regierung, wie zuletzt beim Besuch in Ungarn. Aktuell vom Militär ausgegebene Karten zeigen flankierend, wie der Gazastreifen durch sogenannte Korridore zunehmend zerteilt wird. Der Grenzbereich der Enklave ist bereits annektiert. Die Menschen werden von einem Ort zum nächsten vertrieben, Reuters berichtete von Hunderttausenden Menschen, die vor den diese Woche noch einmal verstärkten Angriffen auf die mit Vertriebenen überfüllte Stadt Rafah im Süden auf der Flucht sind – wohin ist allerdings unklar. Mittlerweile ist nicht einmal mehr die Rede von vermeintlichen humanitären Zonen, wo die Fliehenden Sicherheit fänden. Dagegen soll Rafah an der Grenze zu Ägypten Teil einer vom Militär besetzten sogenannten Sicherheitszone werden. Rafah »ist weg, es wird ausgelöscht«, schilderte ein Familienvater die Lage mittels einer Chat-App gegenüber der Agentur. »Sie reißen alles nieder, was an Häusern und Eigentum übrig geblieben ist.«
Israel rückt auch wieder auf den bereits großflächig zerstörten Norden vor, in den erst vor einigen Wochen Zehntausende in ihre Häuserruinen zurückgekehrt waren. Laut Gesundheitsbehörde wurden allein in den vergangenen 24 Stunden mindestens 97 Menschen getötet – laut Militär seien wie immer »wichtige« palästinensische »Terroristen« getroffen worden.
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