Funkstille am Berg
Von Pierre Deason-Tomory
Radio Liechtenstein, der öffentlich-rechtliche Hörfunksender im Minifürstentum zwischen Österreich und der Schweiz, ist vorigen Donnerstag abgeschaltet worden. Das Ende kündigte die Regierung des Briefkastenfirmenimperiums an, sie vollzog damit des Volkes Willen. Die Untertanen hatten im Oktober per Referendum den »amtsausführenden Fürsten« Erbprinz Alois Philipp Maria von und zu Liechtenstein ersucht, die Anstalt abzuschaffen. Die Suche nach einem privaten Betreiber blieb erfolglos, was erstaunt. Würde doch ein kommerzielles Radio Liechtenstein eine attraktive Hörerschaft bedienen, 40.000 vergoldete Landeier, die Europas größtes durchschnittliches Einkommen verprassen. In den Werbeblöcken könnten Spots für Juwelen, Koks und Haushaltshilfen klingeln.
Tatsächlich habe es – Gerüchten zufolge – ein Übernahmeangebot gegeben, aus dem Ausland, aber das sei abgelehnt worden. Beim Interessenten habe man annehmen müssen, dass der Sender bei Hörerumfragen nur noch vier Prozent bekommen und sofort pleite gehen würde, das Angebot kam demnach von Christian Lindner. 25 Mitarbeiter müssen jetzt gehen, die Studios ausgeräumt werden. Der Senderbriefkasten wird vermutlich als Briefkastenfirmenbriefkasten verpachtet.
»Das regelt der Markt«, verspricht der neue »ARD-Radio-Tatort« aus Niedersachsen. Die Erbin einer Wurstmaschinenbutze versucht mit Bumspartys Politiker zu kompromittieren (NDR 2025, Fr., 19.04 Uhr, WDR 3, Sa., 17.04 Uhr, WDR 5, 19.04 Uhr, HR 2 Kultur, SWR Kultur, 20.03 Uhr, Bayern 2, So., 17.04 Uhr, SR 2 Kultur, 19.04 Uhr, NDR Kultur, Mo., 20.04 Uhr, MDR Kultur). Radio Corax in Halle war bei einem Treffen von 25 Gruppen aus zwölf Bundesländern, die gegen die Bargeldschikanen für Flüchtlinge mobilisieren: »Nein zur Bezahlkarte« (Di., 14 Uhr). Auf HR 2 Kultur beginnt die siebenteilige Lesung der Erzählung »Das wirkliche Blau« von Anna Seghers (HR 2006, Mi., 9.30 und 14.30 Uhr).
Zu gut fürs Fernsehen sei der Berliner Comedian Fil, sagen seine Anhänger, er beherrsche »Die Kunst der Abschweifung«, nachprüfbar in den »Querköpfen« (Mi., 21.05 Uhr, DLF). 29 Tonbänder umfasst der akustische Nachlass von Rolf Dieter Brinkmann, den Katarina Agathos und Herbert Kapfer vor zwanzig Jahren editiert haben. Auszüge daraus bringt der »Bayern-2-Salon« im Hörspiel »Ein kleiner frostiger Atem geht spazieren« (BR, intermedium records 2005, Fr., ab 20.03 Uhr). Das »Bayerische Feuilleton« schockiert mit »Kamerad Hans Beimler – Ein Oberpfälzer Kommunist kämpft gegen die Nazis« (BR 2025, Sa., 8.05 Uhr, So., 20.03 Uhr, Bayern 2).
Bloß ab in die Oper, dreimal italienisch bitte: Die Mailänder Scala präsentierte Ende März »L’opera seria« von Florian Leopold Gassmann (Sa., 19.05 Uhr, DLF Kultur), die Römische Oper im Februar Donizettis »Lucrezia Borgia« (Sa., 19.30 Uhr, Ö 1) und die Oper Frankfurt im Dezember Verdis »Macbeth« (Sa., 20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, MDR Klassik, NDR Kultur, Radio 3, SWR Kultur, WDR 3).
Drei Hörspielpremieren passen hier auch noch rein: »Die Angestellten« nach dem Raumschiffroadmovie von Olga Ravn (DLF Kultur, Sa., 20.05 Uhr, DLF, So., 18.30 Uhr, DLF Kultur), »Mutter Vater Land«, eine hundertjährige türkisch-deutsche Familiengeschichte von Akın Emanuel Şipal (BR 2025, So., 15.05 Uhr, Bayern 2), und »Calor Mortis – Hirnverbrannt« von Felix Engstfeld und Nina Meyer; das ist die Geschichte von Mutter Isoldes eingefrorenem Kopf, der im Jahr 2150 aufgetaut und wegen der Klimaschweinereien unserer Zeit vor Gericht gestellt wird (WDR 2025, So., 17.04 Uhr, WDR 5).
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