»Das ist kein Problem von Angebot und Nachfrage«

Die Demonstrationen am Sonnabend standen unter dem Motto »Beenden wir das Geschäft mit dem Wohnen«. Was ist damit gemeint?
Das System berechnet den Nutzen von Wohnraum einzig wirtschaftlich und nicht sozial. Wir sind gezwungen, mehr als die Hälfte unserer Einkommen für exorbitant hohe Mieten auszugeben. Das ist Diebstahl durch die Vermieter, die sich unseren Lohn aneignen. Die Folgen für uns sind verheerend. Die Bewohner unserer Viertel werden verdrängt. In Madrid wird es immer schwieriger, Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zu finden.
Verantwortliche in Politik und Verwaltung sprechen davon, dass zuwenig gebaut wird, während die Nachfrage steige.
Das ist kein Problem von Angebot und Nachfrage. Es gibt genug Wohnungen für uns alle. Vermieter haben eine Monopolstellung, wodurch sie die Mieten nach Lust und Laune festlegen können. Das aktuelle Modell begünstigt die Geierfonds, die großen Immobiliengesellschaften und letztlich alle, die den Wohnraum wie eine Ware behandeln. Das ganze System basiert auf Spekulation: Geierfonds haben Hunderttausende Häuser von Banken gekauft, aus denen die Leute zuvor in der Krise 2008/2009 zwangsgeräumt worden waren. Der Ursprung des heute existierenden Konflikts liegt darin, dass ein Grundrecht und ein Grundbedürfnis in ein Geschäft verwandelt wurde. Das Streben nach Profit wurde über die Bedürfnisse der Menschen gestellt.
Welche Rolle spielt der Tourismus dabei?
Der Tourismus ist zentral für die Wohnungskrise. Die Zunahme von Touristenunterkünften führt dazu, dass Stadtviertel entleert werden und verstärkt den Druck auf die Mietpreise. Viele Vermieter wandeln ihre Wohnungen lieber in Airbnbs um, als sie langfristig zu vermieten. Das trägt letztlich dazu bei, dass es für uns, die wir in der Stadt leben, immer weniger bezahlbaren Wohnraum gibt. Unsere Städte werden in Freizeitparks für auswärtige Kaufkräftige verwandelt. Uns hier Lebenden kommt die Rolle der Statisten zu.
Was müsste geschehen, um diese Dynamik zu brechen?
Wir müssen die Logik des Wohnungsmarkts ändern. Schon heute wird in den Markt eingegriffen, allerdings zugunsten der Rentiers und der Spekulanten. Wir fordern einen direkten Eingriff zugunsten der Mieter. Dazu gehören unbefristete Mietverträge, damit wir nicht einfach rausgeworfen werden können und damit die Miete nicht alle paar Jahre erhöht werden kann. Die Mietpreise müssen um die Hälfte gesenkt werden, so dass sie wieder auf dem Niveau von vor zehn Jahren, also vor Beginn der Spekulationswelle, liegen. Wir brauchen Gesetze, die das Recht auf Wohnraum garantieren und Spekulanten einen Riegel vorschieben. Zum Beispiel muss der Erwerb von Wohnraum, der nicht für den Eigenbedarf bestimmt ist, beschränkt werden. Und natürlich muss der Zugang zu öffentlichem Wohnraum gefördert und die Geierfonds enteignet werden.
Das Sindicato de Inquilinas schlägt einen Mietstreik vor. Wie stellen Sie sich das vor?
Der Mietstreik ist eine Möglichkeit, kollektiv Druck auf die Spekulanten auszuüben. Sowohl in Spanien als auch in anderen Ländern hat es Tradition, dass Mieterinnen und Mieter ihre Zahlungen einstellen. So sollen die Vermieter dazu gezwungen werden, Mieten auszuhandeln, die unserer wirtschaftlichen Realität entsprechen. Ein Mietstreik kann die Unzufriedenheit von Millionen Menschen sichtbar machen, die täglich unter den steigenden Mieten und dem schlechten Zustand unserer Wohnungen leiden. Der Streik ist also nicht nur ein symbolischer Akt. Es geht darum, dass uns endlich zugehört wird, dass endlich Maßnahmen ergriffen werden.
In den vergangenen Jahren wurden mehrere Gesetze verabschiedet, die zumindest auf dem Papier die Interessen der Mieter schützen.
Maßnahmen wie das Wohnungsbaugesetz, die Reform des Wohnraummietgesetzes usw. sind das Ergebnis des Drucks organisierter Mieter. Sie sind der Beweis dafür, dass wir, wenn wir uns zusammenschließen und gemeinsam kämpfen, in der Lage sind, Dinge zu verändern. Allerdings reichen die Maßnahmen nicht aus, um der Spekulation Einhalt zu gebieten und einen dauerhaften und sicheren Zugang zu Wohnraum zu gewährleisten. Deshalb brauchen wir starke Organisationen außerhalb der Parlamente, die die Interessen der Mieter vertreten und nicht die des Großkapitals.
Pablo Pérez ist Sprecher der Mietergewerkschaft Sindicato de Inquilinas e Inquilinos Madrid
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