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Aus: Ausgabe vom 09.04.2025, Seite 10 / Feuilleton

Nass, von der Grün, Graß, Hermlin

Von Jegor Jublimov
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Nichts geht über eine Pfeife: Günter Grass rauchend in Lübeck (9.3.2010)

»Beginnt die Naß zu leben und zu leiben, kann keiner Eule Auge trocken bleiben!« dichtete Hansgeorg Stengel im Eulenspiegel auf Ingeborg Naß (die für die internationale Vermarktung durch die Defa »Nass« geschrieben wurde). Sie war speziell von Mitte der 60er bis Mitte der 70er Jahre in größeren Nebenrollen auf der Leinwand zu sehen, hatte vorrangig als komischer Vamp und kabarettistische Chansonnette seit den 50er Jahren und bis 1991 unzählige Auftritte im DFF. Geboren wurde sie am Sonnabend vor 100 Jahren in Görlitz, wo sie nach Schauspielausbildung bald in Berlin bei Fernsehen, Film, Rundfunk und Kabarett Fuß fasste, letzteres ebenso im Friedrichstadtpalast wie im TV-Kabarett »Tele-BZ«. Sie war mit dem Schauspieler und Radiomoderator Hermann Matt verheiratet und starb 1998 mit 73 Jahren.

Eine ihrer besten Rollen spielte Ingeborg Naß 1970 im Zweiteiler »Zwei Briefe an Pospischiel« als Ehefrau des Helden (Günther Simon), eines einfachen Ruhrkumpels, der sich auf einer Odyssee durch die BRD der 60er Jahre in Briefen offenbart. Er sieht mit Erschrecken das Aufkommen der extremen Rechten und entscheidet sich für den Kampf dagegen. Der in Franken aufgewachsene Autor der Romanvorlage Max von der Grün ließ autobiographische Elemente in diese Darstellung einfließen. Kurz darauf verfilmte auch das ZDF mit Eberhard Fechner diesen Roman. Auch andere Werke von der Grüns erlebten TV-Umsetzungen, so »Irrlicht und Feuer« (1966 im DFF, auch mit Günther Simon), »Stellenweise Glatteis« (1975 in der ARD mit Günter Lamprecht und Dorothea Moritz) und »Flächenbrand« (ARD 1981, mit Horst Frank, Curt Bois und Manfred Krug). Diese streitbaren Filme wurden im Erfolg noch übertroffen von dem Jugendroman »Vorstadtkrokodile« (1976) über einen querschnittsgelähmten Jungen in einer Jugendbande. Der Stoff wurde 2009 neu verfilmt und erhielt 2011 eine Fortsetzung. Am Montag war Max von der Grüns 20. Todestag, aber zum 100. Geburtstag am 26. Mai im nächsten Jahr werden wir viele Anlässe haben, auf diesen Autor aus proletarischen Verhältnissen zurückzukommen.

Am Sonntag jährt sich Günter Grass’ Todestag zum zehnten Mal, und ähnlich wie von der Grün hat er die Erlebnisse seiner Jugendjahre zwar in seine Bücher einfließen lassen, aber nicht immer genau wiedergegeben. Graß, wie er ursprünglich hieß, war politisch immer engagiert, aber darin inkonsequent. Er tendierte zur SPD, hat sie aber nicht immer unterstützt. So sprach er sich 1990 für eine Konföderation der beiden deutschen Staaten aus. Ein Kuriosum ist, dass der in der BRD trotz Nazivergangenheit vielleicht am meisten gefeierte Autor genau am 100. Geburtstag eines der bedeutendsten DDR-Schriftsteller starb. Stephan Hermlin stammte aus einer kunstsinnigen jüdischen Familie, war seit 1931 Kommunist, lebte in der Emigration in Frankreich und der Schweiz und wirkte seit 1947 in der DDR. Der Autor von antifaschistischen Büchern wie »Die erste Reihe« (1951) stand oft in bis heute andauernden politischen Auseinandersetzungen, die in seinem Band »Abendlicht« (1979) gipfelten.

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