Neuer Rahmen für Entwicklung
Von Zoe Alexandra
Was sind die zentralen Herausforderungen, vor denen die Menschheit heute steht, und wie sind sie zu bewältigen? Diese Fragen stehen im Zentrum der Konferenz »Dilemmas of Humanity« (Zwangslagen der Menschheit), deren vierte Ausgabe am Montag in der brasilianischen Metropole São Paulo eröffnet wurde. Ziel des Treffens unter dem Titel »Perspektiven für soziale Transformation« ist es, »konkrete wirtschaftliche und soziale Lösungen für die verschiedenen Krisen, die weltweit durch Kapitalismus und Neoliberalismus verursacht werden, auszuarbeiten, einschließlich Maßnahmen zur Beendigung von Hunger, sozialer Ungleichheit und Umweltkrise«. Organisiert wird die Zusammenkunft von der Internationalen Versammlung der Völker, der Landlosenbewegung MST und dem Tricontinentale-Institut für Sozialforschung in Neu-Delhi.
In der Eröffnungsdiskussion waren sich die Redner einig, dass Israels andauernder Völkermord in Gaza das Versagen des derzeitigen internationalen Systems offenlege. Vijay Prashad, Leiter des Tricontinentale-Instituts, erklärte, es sei ein neues Kapitel aufgeschlagen worden, das »durch den Völkermord in Palästina gekennzeichnet« sei. Dieser führe die »Spaltung der Menschheit vor Augen: Einige Menschenleben sind wertvoll, andere entbehrlich.« Claudia De la Cruz betonte in diesem Zusammenhang, dass die Menschen in den USA, den größten Unterstützern Israels, die Politik ihres Landes und Israels ablehnten. Alle Teilnehmer hoben hervor, dass angebliche Lösungen, wie sie nicht nur von Rechten, sondern auch von Liberalen und Nichtregierungsorganisationen für die tiefe systemische Krise, in der sich die gesamte Welt befinde, vorgeschlagen würden, insgesamt zu kurz griffen.
Prashad erinnerte dabei an das absehbare Scheitern der UNO bei der Erfüllung ihres Versprechens, bis Ende der Dekade 17 Entwicklungsziele zu erreichen. Dies führe klar vor Augen, dass bisherige Ansätze für gesellschaftlichen Fortschritt unzureichend seien. So waren die Beseitigung der Armut, die Gleichstellung der Geschlechter und die Gewährleistung menschenwürdiger Arbeitsverhältnisse von den UN-Mitgliedstaaten als Wegweiser für »Frieden und Wohlstand« festgelegt worden. Aber: »Die UNO hat selbst gesagt, dass wir diese Vorgaben nicht nur nicht einhalten werden. Vielmehr breiten sich die schlimmsten Elemente des menschlichen Elends wie Hunger, Armut und Obdachlosigkeit sogar weiter aus.«
Prashad wies darauf hin, dass die Mehrheit der Länder des globalen Südens heute gezwungen sei, ihre wirtschaftliche Entwicklung dem Schuldendienst zu opfern. Ein großer Teil der Exporteinnahmen von Entwicklungsländern werde für den Schuldendienst an die USA und EU-Staaten verwendet, prangert er an. Sehr viel Geld, das »ein Land durch den Verkauf von Rohstoffen verdient, wird an die Gläubiger in Europa und den USA gezahlt«. Dies werfe laut Prashad eine grundlegende Frage auf: »Welchen Sinn hat es, natürliche Ressourcen zu verkaufen, wenn es doch nur getan wird, um Kreditgeber zu bezahlen, nicht, um den Reichtum des eigenen Landes zu mehren?«
Prashad besteht auf neuen Strukturen, damit die Länder des globalen Südens sich nicht weiter in bodenlose Schuldenlöcher stürzen, sondern ihre Ressourcen zur Stärkung der nationalen Souveränität und für menschlichen Fortschritt nutzen können. Er schlug einen Entwicklungsplan vor, der unter anderem folgende Punkte enthält: ein Verbot der Ausfuhr unverarbeiteter Rohstoffe; ein Ende der Steuerflucht multinationaler Unternehmen; die Beschlagnahmung von Vermögenswerten in illegalen Steueroasen; eine Festlegung von Obergrenzen für die Zinssätze, die von Ländern des globalen Südens verlangt werden, und eine strenge Regulierung von Pensionsfonds, damit Rentenersparnisse nicht für Finanzspekulationen verwendet werden. Die Diskussionen auf der viertägigen Konferenz, die diesen Donnerstag endet, zielten darauf, einen solchen Plan im Dialog mit Mitgliedern fortschrittlicher Regierungen und Wissenschaftlern zu erweitern und zu vertiefen.
Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: jW.
Zoe Alexandra ist Chefredakteurin der Webseite Peoples Dispatch, auf der dieser Artikel am 9. April im Original erschien. Wir danken für die Möglichkeit der Übernahme.
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