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Aus: Ausgabe vom 10.04.2025, Seite 2 / Ausland
Journalist in Haft

»Die BRD könnte sofort sein Leben retten«

Bulgarien: Journalist aus Saudi-Arabien droht Abschiebung. Verfahren gegen Regierung anhängig. Ein Gespräch mit Astrid Schreiber und Victor Lilov
Interview: Fabian Linder
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Der in Bulgarien derzeit inhaftierte Journalist Abdulrahman Al-Khalidi

Sie befassen sich mit dem Fall des saudiarabischen Journalisten Abdulrahman Al-Khalidi, der seit über drei Jahren in Bulgarien inhaftiert ist. Warum ist er hinter Gittern?

Victor Lilov: Es gibt einen gültigen Beschluss des Verwaltungsgerichts in Sofia, Al-Khalidi freizulassen, auch weil sein Asylprozess noch läuft. Darüber hinaus läuft in Strasbourg ein Verfahren gegen den bulgarischen Staat, um die Verhaftung zu verurteilen. Das Gericht dort sammelt gerade alle Dokumente, um Anhörungen durchzuführen. Das wird allerdings ein paar Monate dauern. Die Verwaltungsbehörde hatte Al-Khalidi den Status eines Asylsuchenden abgenommen und geändert zu einer Person, die abgeschoben werden soll. Damit erklären sie, dass er alle legalen Mittel ausgeschöpft habe, was nicht stimmt. Auch gegen diese Änderung gehen wir gerichtlich vor.

Eine Abschiebung nach Saudi-Arabien würde für Al-Khalidi den sicheren Tod bedeuten.

V. L.: Die Regierung nutzt hier Maßnahmen, die die Grenze der gängigen Regeln ausweiten und überschreiten. Das betrifft nicht nur lokale, sondern auch europäische und internationale Regeln in bezug auf Asyl. Bulgarien würde mit einer Abschiebung Al-Khalidis nach Saudi-Arabien trotz der offensichtlichen Gefahr für ihn auch gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Bulgarien hat sich hier von seinen Verpflichtungen bezüglich dieser Regeln entfernt.

Was können Sie gegen eine mögliche Abschiebung tun?

Astrid Schreiber: Wir hatten zunächst ein Gespräch mit der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Luise Amtsberg. Wir haben darauf hingewiesen, dass auch Deutschland nach Bulgarien abschiebt und damit in der Verantwortung ist, sich um diese Fälle zu kümmern. Das betrifft nicht nur Abdulrahman, sondern weitere Menschen, die von den schweren Rechtsverletzungen dort in der Haft oder in Camps sowie an den Grenzen betroffen sind. Wir gehen davon aus, dass bereits im Hintergrund diplomatische Arbeit betrieben wurde.

Wir waren mit deutschen EU-Abgeordneten in Kontakt, etwa Erik Marquardt und Özlem Demirel, die gerade an einer Anfrage an die Kommission zum Fall Abdulrahman arbeiten. Es gibt also Interesse an diesem Fall, nur nicht von den Hauptverantwortlichen. Allerdings entsteht jetzt ein gewisser Druck. Daran arbeiten wir, auch wenn wir uns an die entsprechenden Konsulate hier in Deutschland wenden sowie an den entsprechenden Botschafter in Berlin.

Welche Beweggründe hat Bulgarien für das Vorgehen?

V. L.: Abdulrahman ist leider kein Einzelfall. Es gibt einen aus Gaza stammenden Palästinenser, der ebenfalls als »Gefahr für die nationale Sicherheit« in Bulgarien eingestuft wird und seit einem Jahr in Immigrationshaft sitzt – obwohl diese laut Gesetz so kurz wie möglich sein sollte. Europäische Gerichte haben in diesen Fällen für einen humanitären Schutzstatus entschieden. Trotzdem halten sich die bulgarischen Behörden nicht daran. Was Saudi-Arabien betrifft, war Bulgarien bis vor wenigen Jahren noch ein großer Waffenexporteur. Darüber hinaus war Bulgarien ebenfalls Teil eines großen Gaspipelineprojekts, welches von Saudi-Arabien gestartet und dann an russische Unternehmen übertragen wurde.

Und die deutsche Zurückhaltung?

A. S.: Wir haben in diesem Kontext immer wieder auch auf den Fall von Jamal Khashoggi hingewiesen, allerdings ist auf deutscher Seite niemand darauf eingegangen. Die EU muss klar Menschenrechtsverletzungen gegenüber Geflüchteten benennen, die eben auch in EU-Mitgliedstaaten wie Bulgarien passieren. Insofern ziehen wir auch Deutschland in die Verantwortung, das für Al-Khalidi sofort ein humanitäres Visum ausstellen und damit sein Leben retten könnte. Vermutlich ohne großartiges Aufsehen. Schließlich müssen wir auch sehen, was nun passiert, sollte Al-Khalidi aus der langen Haft entlassen werden. Hier geht es darum, wer die Verantwortung dafür übernimmt, und auch um einen Schadenersatz für die ungerechtfertigte Haftzeit.

Astrid Schreiber engagiert sich für den Münchner Flüchtlingsrat. Victor Lilov ist Mitglied des Bulgarian Helsinki Committee

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