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Aus: Ausgabe vom 10.04.2025, Seite 7 / Ausland
Iran

Aktivistin droht Hinrichtung

Iran: Wiederaufnahme von Verfahren gegen kurdische politische Gefangene Pakhshan Azizi abgelehnt
Von Kurd Mad
Pakhshan Azizi ist im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert (17.10.2022)
Pakhshan Azizi in Freiheit auf einem von der Familie bereitgestellten Foto

Der Oberste Gerichtshof des Iran hat den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die kurdische politische Gefangene Pakhshan Azizi am Wochenende endgültig abgelehnt. Die Sozialarbeiterin war zuletzt wegen des Vorwurfs der »Anführung eines bewaffneten Aufstands gegen die Regierung« zum Tode verurteilt worden. Wie ihr Bruder Aso Azizi gegenüber jW mitteilt, habe das zuständige Gericht den zweiten Antrag auf Wiederaufnahme abgewiesen, ohne die Gerichtsakten überhaupt einzusehen. Die Verteidigung sei pauschal als »unbegründet« zurückgewiesen worden – obwohl eine fundierte Ablehnung ohne Prüfung der Unterlagen kaum möglich sei. Die Bearbeitung des Antrags dauerte lediglich drei Tage, von denen zwei auf Feiertage fielen – ein weiteres Indiz, dass die vorgelegten Beweise keine angemessene Würdigung fanden.

Laut Aso Azizi weist der Fall eklatante Widersprüche auf: Seine Schwester habe über ein Jahrzehnt lang als freiwillige Sozialarbeiterin in Flüchtlingslagern in Südkurdistan (Irak) und Rojava (Syrien) gearbeitet und dabei mit internationalen Organisationen wie dem Roten Kreuz und Schweizer Hilfswerken kooperiert. Entsprechende Nachweise wurden im Verfahren vorgelegt. Dennoch wurde Pakhshan Azizi im Laufe der Ermittlungen nacheinander der Mitgliedschaft in drei völlig unterschiedlichen Gruppierungen beschuldigt: zuerst der Arbeiterpartei Kurdistans, also der PKK, dann der Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat« und schließlich der Demokratischen Partei Kurdistans – Iran. Die inhaltlich unvereinbaren Vorwürfe werfen laut Familie Azizi die Frage auf, ob überhaupt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Fakten stattgefunden habe.

Am 4. August 2023 war Pakhshan Azizi in Teheran verhaftet worden und wurde nach monatelangen Verhören in den Trakt 209 des Evin-Gefängnisses überstellt. Gleichzeitig verurteilte ein Gericht ihre Angehörigen – Vater Aziz Azizi, Schwester Prshang Azizi und Schwager Hossein Abbasi – wegen angeblicher »Beihilfe zur Flucht eines Straftäters« jeweils zu einem Jahr Haft. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil. Während der Haftzeit hatten weder Pakhshan Azizi noch ihre inhaftierten Familienmitglieder Zugang zu einem Anwalt oder Kontakt zur Außenwelt. Erst im nachhinein konnte rechtliche Unterstützung organisiert werden. Gegenüber jW äußerte Aso Azizi die Sorge, dass die iranische Regierung mit der harten Strafverfolgung politischer Gefangener bewusst ein Zeichen setzen wolle. »Mit dem Jahrestag der ›Jin, Jiyan, Azadî‹-Revolution im Blick, beobachten wir eine zunehmende Verschärfung der Urteile. Die Regierung scheint mit Härte auf jede Form von Dissens reagieren zu wollen – vor allem, um die Frauenbewegung einzuschüchtern.« Die Familie befürchtet eine baldige Vollstreckung des Todesurteils gegen Pakhshan.

In einem offenen Brief aus dem Evin-Gefängnis vom 21. Juli mit dem Titel »Die Verleugnung der Wahrheit und ihre Alternative« schildert Pakhshan Azizi die Bedingungen ihrer Gefangenschaft. Sie beschreibt die systematische Folter in Einzelhaft, die sie mehrfach an den Rand des Todes brachte: das Aufhängen an den Händen bis zur Bewusstlosigkeit, Misshandlungen, Demütigungen, psychische Gewalt. Ihre Peiniger bezeichneten sie als »Separatistin«, sie sei »als Kurdin Mensch zweiter Klasse« und »als Frau gesellschaftlich gescheitert«. In ihrem Schreiben heißt es: »Für die Zentralmacht sind wir klein und unbedeutend – doch für die Urteile die Größten und Schwersten.« Pakhshan Azizi war bereits am 16. November 2009 im Zuge einer Demonstration kurdischer Studierender in Teheran erstmals verhaftet worden. Damals richteten sich die Proteste gegen Todesurteile für politische Gefangene aus Kurdistan. Nach vier Monaten Untersuchungshaft kam sie gegen Kaution frei und verließ später vorübergehend das Land.

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