Auch du, Siegfried
Wer von den BRD-Kulturgrößen war eigentlich nicht in der Partei? Nun weiß man: Siegfried Unseld (1924–2002) war es. Das hat der Historiker Thomas Gruber anhand der NSDAP-Mitgliederkartei herausgefunden, die zum Bestand des Bundesarchivs zählt. Das berichtete die Zeit am Donnerstag. Wie aus der Mitgliederkartei hervorgehe, habe der damals 17jährige Unseld, der kurz vor dem Notabitur stand, im Juni 1942 die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt. In der Nachkriegszeit prägte er als Verleger die linksliberale »Suhrkamp Culture« (George Steiner), die maßgeblich für die sogenannte intellektuelle Gründung der Bundesrepublik war.
Der frühere Kamerad mit der Mitgliedsnummer 9.194.036 hing seine Parteizugehörigkeit nie an die große Glocke, erwähnte sie öffentlich mit keiner Silbe. Aber seinem einflussreichen Verlag verpasste er ein dezidiert antifaschistisches Profil, vertrieb auch einiges an marxistischer Literatur, solange sie sich verkaufte. In dieser Hinsicht also ein weiterer Grass, ein weiterer Walser, nur ohne den moralinsauren Dünkel. Die Geistesgeschichte der BRD wird nach diesem Fund nicht umgeschrieben werden müssen. (pm)
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