»Wir haben noch genug strahlendes Erbe«
Interview: Marc Bebenroth
Durch die BRD rollen nach wie vor Castor-Transporte – zuletzt Richtung Bayern –, die nuklearen Abfall zur Lagerung fahren. Woher kommt der strahlende Müll, wo doch die letzten Atommeiler in Deutschland vom Netz sind?
Das ist alles noch alter Müll. Wohin der soll, ist eines der Hauptprobleme. Es ist ja nicht so, als hätten wir irgendeine dauerhafte Lösung. Was uns momentan extrem beschäftigt, sind die geplanten Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus. 152 Castoren, von einem Zwischenlager in ein anderes Zwischenlager, quer durch dichtbesiedeltes Gebiet. Das ist völlig unverantwortlich!
Wie muss man sich das vorstellen?
Das sind 152 einzelne Lkw-Transporte. Über zweieinhalb Jahre soll der strahlende Müll mit Spezialfahrzeugen quer durch Nordrhein-Westfalen gekarrt werden. Transportiert werden in der Summe rund 300.000 Brennelementkugeln, die zum Teil zerfallen sind. Das ist jedenfalls die Information, die wir haben. Diese Kugeln sind in den Castoren. Offiziell heißt es, der Transport als solcher würde keine gefährliche Strahlung abgeben. Allerdings haben wir viele Brücken in Nordrhein-Westfalen, die marode sind. So kommt die Strecke, die ursprünglich mal angedacht war und wo Ende 2023 große Transporte stattfanden, jetzt nicht mehr infrage.
Warum nicht?
Eine Brücke ist nur bis 48 Tonnen Last freigegeben. Diese Castor-Transporte wiegen 130 Tonnen. Das heißt, sie müssen sich jetzt eine Alternativstrecke überlegen.
Ihre Alternative lautet: gar keine Transporte.
Genau. Wir sagen schon seit 2014 ganz klar: In Jülich muss ein neues Zwischenlager gebaut werden, das den aktuellen Sicherheitsanforderungen entspricht. Dort sollen dann die Castoren eingelagert werden, bis wir wirklich auch so etwas wie ein Endlager in Deutschland haben.
… wofür die Suche noch Jahrzehnte dauern kann.
So ist es. Das Zwischenlager in Jülich gibt es bereits. Der strahlende Kern vom Versuchsreaktor in Jülich liegt da ja auch. Warum man da in der Zeit nicht ein weiteres Zwischenlager gebaut hat, haben wir nie nachvollziehen können.
Wie bereiten Sie und die anderen Initiativen und Bündnisse sich auf den Protest gegen diese Transporte vor?
Im Grunde läuft unser Protest, seitdem das Lager in Jülich nicht mehr genehmigt ist. Die ganze Zeit versuchen wir also einerseits, mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen. Eine Forderung ist, dass wir eine Art runden Tisch gründen, mit allen von der Bundesebene, der Landesebene, mit allen involvierten Ministerien in einem partizipativen Verfahren. Aber wir haben auch gesagt, wir nehmen einfach mal den 26. Mai zum Anlass für ein Probesitzen an den beiden Standorten.
Gemeint sind die angemeldeten Kundgebungen und Sitzblockaden am Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe vor den Toren des Jülicher Forschungszentrums und dem Atommüllager Ahaus. Was planen Sie darüber hinaus?
Am Karfreitag organisieren wir einen Ostermarsch zur Urananreicherungsanlage in Gronau. Diese sowie die Brennelementefabrik in Lingen sind vom sogenannten Atomausstieg ausgeklammert.
Die Unionsparteien hatten im Wahlkampf die Renaissance der Atomkraft beschworen, im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD kommt das Thema gar nicht mehr vor. Was schließen Sie daraus?
Das zeugt davon, dass man nach populistischen Aussagen, die vor Unwissenheit strotzten, nun offensichtlich den Tatsachen ins Auge geblickt hat. Kein ehemaliger AKW-Betreiber in Deutschland war für einen Neubau bereit. Die Kosten sind weltweit explodiert. Es gibt auch nicht einen Versicherer, der ein AKW absichert. Das Risiko trüge allein die Bevölkerung.
Wir haben mit der ungelösten Atommüllfrage noch genug strahlendes Erbe. Denn bisher wird nur ein Endlager für hochradioaktive Materialien geplant. Doch 95 Prozent des Atommülls sind schwach- und mittelradioaktive Materialien, deren Endlagerung noch nicht geplant ist. Daher sind nur erneuerbare Energien kombiniert mit Speichertechnologien die Zukunft.
Kerstin Ciesla ist stellvertretende Vorsitzende des BUND-Landesverbands Nordrhein-Westfalen
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