Spahn hört Stimmen
Von Kristian Stemmler
Bei der Bundestagswahl wurde die AfD zweitstärkste Kraft. Seitdem hat sie noch zugelegt, liegt in aktuellen Umfragen gleichauf mit CDU/CSU an der Spitze. Für die Union ist das kein Grund, ihren Kurs zu überdenken, der die Rechtsaußenpartei – vor allem mit der Konzentration auf das Thema Migration im Wahlkampf – überhaupt erst so stark gemacht hat. Unionsfraktionsvize Jens Spahn hat sich am Wochenende gegenüber Bild an einer Normalisierung der AfD versucht. Die Politik müsse anerkennen, »wie viele Millionen Deutsche« diese Partei gewählt hatten, gab der Exgesundheitsminister zu bedenken.
Er bezog sich mit auf Abläufe im Parlament, Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen und die Berücksichtigung von Minderheits- und Mehrheitsrechten. In diesen Bereichen empfehle er, mit der AfD umzugehen, »wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch«. Bisher war das nicht der Fall. So wurden zuletzt – entgegen den Gepflogenheiten – keine AfD-Politiker mehr zu Vorsitzenden von Bundestagsausschüssen gewählt. Die AfD klagte dagegen sogar vor dem Bundesverfassungsgericht, allerdings erfolglos.
Im neuen Bundestag stehen die Wahlen der Ausschussvorsitzenden noch an, und da will die Union offenbar – so könnte man Spahns Ausführungen deuten – AfD-Kandidaten mittragen. Das Scheitern eines AfD-Politikers Ende März bei der Wahl zum Vizepräsidenten des Bundestags rechtfertigte Spahn indirekt. Für dieses Amt gelte, dass jeder Vorschlag eine Mehrheit in geheimer Wahl finden müsse. Es gehe dabei um ein Staatsamt und ein Repräsentationsamt: »Da sollte man schon die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags hinter sich haben«, befand der Fraktionsvize.
Spahn versuchte, die Normalisierung als demokratische Reaktion auf das Wahlergebnis darzustellen. Wie die Partei im Bundestag auftrete, sei zwar häufig nicht bürgerlich, betonte er gegenüber Bild, »wie da rumgeholzt wird, wie da rumgeschimpft wird, wie andere niedergemacht werden«. Am Ende zähle nur das Wahlergebnis: Die AfD sei so stark, »weil Wählerinnen und Wähler uns was sagen wollten«. Daher gehe es darum, die »richtige Balance« zu finden im parlamentarischen Umgang mit ihr.
Schließlich spielte Spahn auf der aus dem Wahlkampf bekannten Migrationsklaviatur. Die Union setze weiter auf Verschärfungen. Deutschlands Nachbarn in Europa verstünden, »dass das so nicht mehr weitergehen kann«. Spahn behauptete, dass die »illegale Migration« die BRD am meisten belaste, »weil am Ende alle oder viele deutlich überproportional in Deutschland ankommen«. In Wahrheit verzeichnen nach kürzlich vorgelegten Zahlen Frankreich und Spanien inzwischen mehr Asylanträge als Deutschland.
Seitens der auf die Oppositionsbank verbannten Grünen wurde die Union aufgefordert, ihr »Verhältnis zur AfD unmissverständlich zu klären«. Die BRD brauche eine konservative Partei, »die sich von der extremen Rechten abgrenzt und eine klare Haltelinie formuliert, anstatt ihr hinterherzulaufen und diese Linie immer weiter nach rechts zu verschieben«, sagte Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, am Sonnabend dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Sozialdemokratische Kritik kam aus der zweiten Reihe. Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh warf Spahn indirekt gegenüber dem Sender RBB vor, »Rechtsextremisten wie die AfD« mit der »demokratischen Opposition« gleichzustellen und damit »die Gefahr für Gesellschaft und Demokratie« ebenso zu relativieren wie »die schmerzhaften Lehren aus unserer Vergangenheit«.
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Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (13. April 2025 um 22:11 Uhr)Wahlergebnis 1932: NSDAP 33,6% (11.737.021 Stimmen) Diese fast 12 Millionen hirngewaschenen Wähler hatten dann wohl auch was zu sagen, auf das gehört werden musste, mit denen »die richtige Balance im Umgang gefunden werden musste«... Da sieht mensch, dass die Haselnuss schwarz-braun ist, welcher Gesinnung die »Schwarzen« von CDU/CSU wirklich sind: Faschistoides Pack!
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