»Selbst im Stadtrat gab es persönliche Angriffe«
Von Max Grigutsch
Ende Januar hat das BSW mit Stimmen der AfD und Abweichlern der CDU ein Bundeswehr-Werbeverbot im Stadtrat von Zwickau durchgesetzt. Jetzt hat das Landratsamt den Beschluss für rechtswidrig erklärt. Wie argumentiert das Amt?
Das Amt argumentiert, dass wir unsere Kompetenzen als Stadtrat überschritten hätten, weil wir uns in Bundesthemen bewegt hätten. Zum anderen beruft sich das Amt auf den Gleichheitsgrundsatz laut Grundgesetz, der besagt, dass wir bei Werbung keine Bewerber für einen Vertrag ausschließen können. Im weiteren meint es, dass wir gerade auf Schulen keinen Zugriff haben, weil die Schulleiter dem Schulgesetz unterliegen und der Stadtverwaltung gegenüber nicht weisungsgebunden sind.
Zuvor hatte Oberbürgermeisterin Constance Arndt zweimal Widerspruch gegen den Mehrheitsbeschluss eingelegt. Sie haben das Werbeverbot Ende Februar erneut vom Stadtrat bestätigen lassen. Wie lief das?
Beim ersten Mal hatte die Oberbürgermeisterin Widerspruch eingelegt, weil sie der Meinung war, dass der Beschluss nachteilig für die Stadt sei. Laut Gemeindeordnung sind die Nachteile ausgeräumt, wenn der Stadtrat den Beschluss erneut bestätigt. Ihr Widerspruch war also mit dem zweiten Beschluss im Stadtrat hinfällig. Sie hat weiterhin die Meinung vertreten, dass der Beschluss rechtswidrig sei. Das wurde durch das Landratsamt bestätigt.
Halten Sie die Argumentation rechtlich und politisch für stichhaltig?
Was die rechtliche Bewertung angeht, möchte ich mich nicht weiter äußern, weil das Verfahren noch läuft. Wir haben durchaus einige Ansatzpunkte gefunden, die in der juristischen Auseinandersetzung eine Rolle spielen können. Was das Politische angeht, haben wir sehr viel Aufmerksamkeit erregt, weil wir die erste Kommune sind, die ein Bundeswehr-Werbeverbot durchsetzen konnte. Wir haben also viele in der gegenwärtigen Situation der zunehmenden Militarisierung aufgeschreckt. Das hat uns jede Menge Angriffe eingebracht.
Politische Angriffe?
Zum Teil auch persönliche Angriffe in den sozialen Medien. Selbst im Stadtrat gab es persönliche Angriffe, die ich so nicht erwartet hatte, vor allem aus Kreisen, die sich selber als politisch progressiv einschätzen. Die politischen Interessen in bezug auf die Militarisierung unseres Landes haben sich verschoben – etwa bei den Grünen und den Sozialdemokraten, die mittlerweile entschiedene Befürworter dieser Entwicklung sind. Die nehmen heftige Angriffsversuche gegen uns vor, weil wir uns dagegenstellen.
Bei den Abstimmungen haben die beiden Linke-Stadträte nicht für das Bundeswehr-Werbeverbot gestimmt. Hatten Sie danach Diskussionen mit der Zwickauer Linkspartei?
Ich habe mit ihnen nicht gesprochen. Insgesamt muss man ja sagen, Die Linke ist als Friedenspartei ein Totalausfall geworden. Das hat man bei der Abstimmung über die Kredite im Bundesrat gesehen. Das erleben wir auch hier und im Landtag. Wo immer so eine Abstimmung stattfindet, kann man sich auf Die Linke nicht verlassen. Im Zweifel stimmen sie gegen ihre eigene Überzeugung, um Mehrheiten mit der AfD zu vermeiden. Ich verstehe diese Politik nicht. Man hat seine Interessen als Partei und die will man ja durchsetzen. Die kann man ja nicht fallenlassen, bloß weil die Falschen zustimmen könnten. Das ist überhaupt nicht im Interesse der Wählerinnen und Wähler.
Wurde das Thema seither noch mal im Stadtrat diskutiert?
Am Donnerstag ist die nächste Stadtratssitzung, da steht das auf der Tagesordnung. Es gibt nur zwei Optionen: Entweder legen wir als Stadtrat Widerspruch ein und beschreiten den Rechtsweg. Oder wir beugen uns zumindest gegenwärtig diesem Bescheid, der sofort vollstreckbar ist. Wir können den erst mal nicht aufhalten. Insofern halten wir es nicht für zielgerichtet, den Rechtsweg zu beschreiten. Das würde vermutlich über viele Jahre mit ungewissem Ausgang durch die Instanzen gehen und würde sehr viele Finanzmittel beanspruchen. Das ist in der gegenwärtigen Situation überhaupt nicht vermittelbar. Aber wir behalten uns vor, eine weitere juristische Prüfung vorzunehmen und gegebenenfalls auf das Thema zurückzukommen.
Wie geht es weiter?
Wir suchen neue Optionen. Wir beugen uns dem Faktischen, aber bleiben an dem Thema dran und werden in irgendeiner Art und Weise sicherlich wieder darauf zurückkommen.
Bernd Rudolph ist Vorsitzender der BSW-Fraktion im Stadtrat Zwickau
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Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (15. April 2025 um 13:32 Uhr)Die Reste der Partei »Die Linke« (sind ja in Zwickau nur noch zwei Seelen) frönt einem regressiv verkürzten Antifaschismus: Alles, wofür die AfD stimmt, muss abgelehnt werden – völlig unabhängig vom Inhalt. Diese Antifa-Pose ist nicht nur im Kern unpolitisch – sie stärkt die AfD nur noch weiter. Interessant sind aber auch die Widersprüche innerhalb der AfD: Deren Bundespolitiker wie Bernd Baumann oder Rüdiger Lucassen hatten das Zwickauer Werbeverbot heftig kritisiert und sind generell auf NATO- und Aufrüstungskurs – während AfD-Kommunalpolitiker zumindest punktuell Aspekte der Militarisierung kritisieren. Mit friedenspolitischen Initiativen wie vom Zwickauer BSW könnten diese Widersprüche des politischen Gegners sehr viel besser herausgearbeitet – und damit vielleicht eine Spaltung/Schwächung der AfD provoziert – werden, als mit der trotzigen Antifa-Pose der Linken.
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Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (15. April 2025 um 12:04 Uhr)Es dürfte kaum Verwunderung auslösen, wenn sich ein Zwickauer Stadtrat schließlich auch dem militanten Zeitgeist andient. Anerkennung und Respekt sollten denen gelten, die zumindest den Versuch unternommen haben, sich dem Zeitgeist zu widersetzen. Ein solcher Vorgang könnte dennoch Erkenntnisse schaffen oder vertiefen. Wenn besonders aus Reihen der SPD und Grünen »persönliche Angriffe« gegen Initiatoren eines Werbeverbots der Bundeswehr ausgehen, drängen sich schon Fragen zu Vergangenheit, Geschichte, »Wendezeiten«, DDR usw. auf. Wie ehrlich war deren Politik? Die »Begründungen« gegen die Initiatoren lassen zugleich Fragen zu den wahren Werten von Freiheit, Demokratie und Recht. Leider zeigt alle Praxis, aus Generation »Wende« und Kindern bis Enkeln erinnert sich kaum jemand an das, was einst laut gefordert und an DDR verurteilt wurde. Jeder Spielzeugpanzer NVA löste mehr aus als reale Kriegspolitik jetzt und heute. Wer heute ein Bundeswehr-Werbeverbot ablehnt, der muss aber auch alle militanten Konsequenzen dann mittragen. Ohne Wenn und Aber. Ist in deutscher Politik vergangener Zeiten aber nie schwergefallen. Wenn zu lesen ist, der Stadtrat habe gar keine Kompetenz, ein Werbeverbot zu verbieten, dann ist heute schon klar wer am Ende wieder erklärt er und sie habe ja nichts machen können. Kennen wir auch zur Genüge von Helden vergangener Zeiten. Zunächst geht es wieder um Verantwortung für Deutschland, geht es gegen den »Hauptfeind« Russland, um Frieden und Menschenrechte mit Krieg.
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Leserbrief von Kora Brandner aus Elsteraue (15. April 2025 um 10:56 Uhr)Schön mal wieder vom BSW zu hören und den Schwierigkeiten im politischen Alltag. Als ob deutsches Kompetenzgerangel, welches Gremium sich wofür äußern darf, die allgemeine Kriegshysterie beeinflussen könnte. Dieses Thema geht alle Verantwortlichen etwas an. Ich bin froh, dass wenigstens das BSW standhaft bleibt. Aufrüstungsbegehren, Bildung und öffentliche Daseinsvorsorge dürfen nicht durch Kleinstaaterei in der Versenkung verschwinden. Alle Ebenen müssen hier gehört werden. Demokratie endet nicht an der Gemeindegrenze.
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